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D: Bankgeheimnis kippt am 1. April

Am 1. April kippt das Bankgeheimnis in Deutschland, Steuersündern und Sozialbetrügern soll es an den Kragen gehen. Wer mogelt - ob absichtlich oder unwissentlich -, fliegt damit viel leichter auf als früher.

Mehrere Anträge auf einstweilige Anordnung gegen das umstrittene Gesetz lehnte das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch ab. Künftig gilt: Behörden können die Bankverbindungen der Bürger abfragen. Kein Inlandskonto bleibt mehr geheim. Die tatsächlichen Ersparnisse und Kapitalerträge werden für den Fiskus so transparent wie nie zuvor. So regelt es das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“. Die Gefahr, per Datenzugriff entdeckt zu werden, gilt allerdings nicht für Auslandskonten.

Datenschützer und Rechtsanwälte halten den umfassenden Einblick in Bankverbindungen für verfassungswidrig. Auch Hermann Burbaum, Chef der Volksbank Raesfeld, der seit zwei Jahren schon vehement gegen „gläserne“ Konten kämpft, hatte Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Kritik üben auch Verbraucherschützer: „Die Bürger müssen sich darüber klar werden, dass kein konkreter Verdacht für eine Kontenabfrage da sein muss“, erläutert Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Stiftung-Warentest-Zeitschrift „Finanztest“. Jeder der etwa 60 Millionen Bankkunden in Deutschland kann dann jederzeit überprüft werden. „Man kann sich nicht dagegen wehren“, sagt auch Norman Peters, Vorsitzender des Deutschen Steuerberaterverbandes. Erst im Nachhinein soll der Betroffene davon erfahren.

Zur elektronischen Abfrage berechtigt sind alle Behörden, die mit „Begriffen des Einkommensteuergesetzes“ zu tun haben, heißt es im Gesetz. Das bedeutet: Finanz- und Sozialbehörden wie Sozialamt, Familienkasse, Arbeitsagenturen, Bafög-Stelle, Jugendamt oder Amt für Wohnungsförderung dürfen sich Daten von den geschätzten 500 Mio. Konten und Depots einholen. In Erfahrung gebracht werden kann dabei die Zahl aller Konten inklusive Kontonummern, Eröffnungsdatum sowie Verfügungsberechtigten. Auch die Daten gelöschter Konten sind drei Jahre lang abrufbar. Kontostände und -bewegungen können erst in einem zweiten Schritt aufgedeckt werden.

Was Kritiker bemängeln: Die Sachbearbeiter brauchen für ihre Anfragen weder eine Genehmigung vom betroffenen Bürger noch von Richtern, wie „Finanztest“ betont. Bisher war das anders. Nur bei Verdacht auf Geldwäsche, zur Terrorismusbekämpfung oder im Rahmen eines Strafverfahrens war eine solche Überprüfung nach dem New Yorker Anschlag vom 11. September 2001 rechtens. Und dann auch nur durch Polizei und Staatsanwaltschaft.

Stoßen Behörden auf Ungereimtheiten bei Steuerpflichtigen oder Empfängern von Sozialleistungen, müssen die Betroffenen mit Nachbohren rechnen. Schlimmstenfalls drohen der Verlust von Leistungsansprüchen und je nach Fall Bußgeld- oder Strafverfahren.

Schwierigkeiten können nach Ansicht Tenhagens tatsächlich „eine Reihe von Bürgern bekommen, die nicht immer alles so korrekt deklariert haben“. Der meiste „Sprengstoff“ sei aber für Rentner drin. Deren Steuerpflicht kann jetzt genau kontrolliert werden. Nicht offen gelegte Nebeneinkünfte wie Betriebsrenten, Mieten, Zinsen oder Privatrenten können zum Problem werden.

Bis zu 400.000 Rentner könnten von Nachforderungen des Fiskus betroffen sein, schätzt Dieter Ondraczek, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft. Andere Experten gehen von deutlich mehr Ruheständlern aus, die wegen hoher Gesamteinkünfte schon früher hätten Steuern zahlen müssen, aber keine Steuererklärung abgaben, das Finanzamt im Unklaren ließen und damit schummelten – ob mit Absicht oder nicht.

„Wer meint, er hätte was zu verheimlichen, sollte reagieren“, rät Steuerberater Peters. Auch Tenhagen fordert aufgeschreckte Bürger auf: „Wenn Sie Bauchweh mit der Regelung haben, gehen Sie zum Steuerberater.“

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