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CZE: Neue Runde im Regierungspoker

Das innenpolitische Patt in der Tschechischen Republik weist gewisse Parallelen zur Nachwahlsituation in Österreich auf. Staatsoberhaupt Vaclav Klaus kommt eine Schlüsselrolle zu.

Allerdings mit einem deutlichen Unterschied: Ex-Premier Klaus, noch immer Ehrenvorsitzender der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), reizt seine Vollmachten nach Ansicht tschechischer Kommentatoren bis hart an die Grenze der Verfassungsmäßigkeit aus.

Klaus will den ODS-Chef und amtierenden Premier Mirek Topolanek neuerlich mit der Regierungsbildung beauftragen. Und dies, obwohl Topolanek nach den Parlamentswahlen im Juni bereits zwei Mal eine Mehrheit im Prager Abgeordnetenhaus verfehlt hat. Scheitert er auch bei seinem neuen Versuch, gibt es laut Verfassung einen dritten Auftrag zur Regierungsbildung. Misslingt auch dieser, kann Klaus das Parlament auflösen. Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen wären die Folge.

Bohumil Dolezal, einer der angesehensten tschechischen Politologen, schreibt dazu in der Prager Tageszeitung „Mlada fronta Dnes“ (Dienstag-Ausgabe), der neue Auftrag an Topolanek scheine ein einziges Ziel zu haben: Jiri Paroubek, den Chef der Sozialdemokraten (CSSD), an einer Regierungsbildung zu hindern. Klaus hat mehrfach vor der Absicht Paroubeks gewarnt, ein Minderheitskabinett mit Duldung durch die (orthodoxen) Kommunisten (KSCM) zu bilden. Für eine Mehrheit bräuchte Paroubek aber zumindest einen Überläufer aus dem bürgerlichen Lager (ODS, Christdemokratische Volkspartei, Grüne). Bürgerliche und Linke (CSSD, KSCM) stehen einander im Abgeordnetenhaus mit jeweils hundert Mandaten gegenüber. Laut Dolezal sei Paroubek seinem Ziel einer Mehrheit mit Hilfe von Überläufern schon sehr nahe.

Gleichzeitig aber versucht die ODS offensichtlich ihrerseits, die Unterstützung der Kommunisten für Neuwahlen zu gewinnen. Käme es tatsächlich zu solcherart herbeigeführten vorzeitigen Wahlen, würde die ODS dafür bitter bezahlen, schreibt der Analytiker Marian Kiss in der Prager Wirtschaftszeitung „Hospodarske noviny“ (Dienstag-Ausgabe). Topolanek habe versuchsweise bereits eine mögliche Erklärung für eine solche Allianz geliefert, indem er zu Medienvertretern sagte, dies wäre kein Bündnis, sondern ein „technischer“ Schritt.

Kiss erinnert daran, dass Klaus, der so vehement vor der kommunistischen Gefahr warnt, Anfang 2003 auch mit den Stimmen von KSCM-Abgeordneten zum Präsidenten (als Nachfolger von Vaclav Havel) gewählt worden sei. Damit habe die ODS entscheidend dazu beigetragen, dass die Kommunisten wieder hoffähig geworden seien. Der Analytiker sieht denn auch eine Doppelstrategie der ODS gegenüber der KSCM: einerseits versuche man sie als Alliierten zu gewinnen (Beispiele Präsidentenwahl, vorzeitige Neuwahlen), andererseits wolle man die Wähler mit Angst vor der Linken mobilisieren. Ähnlich argumentiert auch Dolezal.

Hinter Klaus’ Vorgangsweise könnte allerdings auch die Absicht stehen, die Sozialdemokraten für eine große Koalition mit der ODS „weichzuklopfen“. Der angekündigte neuerliche Auftrag an Topolanek könne als letzter Versuch in diese Richtung angesehen werden, schreibt Jiri Hanak in der Prager Tageszeitung „Pravo“ (Dienstag-Ausgabe). Wolle man den jüngsten Schritt des Staatsoberhauptes nicht als den eines politischen Verlierers interpretieren, könne es sich nur um den Ruf nach einer großen Koalition handeln. Abgesehen davon spricht der Kommentator des linksgerichteten Blattes aber schon jetzt von einem „präzedenzlosen Versagen von Klaus als Präsident“.

Dies könnte sich als voreilige Diagnose erweisen. Denn Sozialdemokraten-Chef Paroubek erklärte als Reaktion auf Klaus’ jüngsten Schritt, er sei bereit, mit der ODS selbst um den Preis programmatischer und personeller Konzessionen zu verhandeln. Wie weit diese im Ernstfall gehen würden, bleibt zunächst offen. Bisher ist eine Annäherung zwischen den beiden großen Parteien vor allem an der tiefen wechselseitigen Antipathie ihrer Chefs gescheitert – auch hier eine unübersehbare Parallele zu Österreich.

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