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Coronakrise nutzen: AK will Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich

Die Arbeiterkammer (AK) sieht die Zeit gekommen, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich umzusetzen.
Die Arbeiterkammer (AK) sieht die Zeit gekommen, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich umzusetzen. ©APA (Sujet)
Die Arbeiterkammer (AK) sieht die Corona-Krise und die damit verbundene Massenarbeitslosigkeit als Chance, eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich umzusetzen.

Gerade jetzt in der größten Massenarbeitslosigkeit der Zweiten Republik sollte die Arbeitszeit verkürzt werden, sagte die Leiterin der AK-Abteilung Sozialpolitik, Silvia Hruska-Frank, am Montag in einer Online-Diskussion der AK. Durch die Neuverteilung der Arbeit könnten Jobs für Arbeitslose geschaffen und Arbeitskräfte entlastet werden.

Bereits umgesetzte Modelle von Arbeitszeitverkürzung

Voestalpine-Betriebsrat Klaus Haidinger verwies auf das seit 16 Jahren bei der voestalpine umgesetzte Solidaritätsprämienmodell. Im Jahr 2005 wurde eine Arbeitszeitverkürzung von 38,5 auf 34,4 Stunden in einem Pilotprojekt bei der Umstellung des Schichtbetriebs von vier auf fünf Schichten eingeführt. Heute hätten 2.500 Voestler ihre Arbeitszeit um mehr als 10 Prozent reduziert. Dafür wurden 250 vorher Arbeitslose neu eingestellt. Die Einkommensverluste seien gering, da KV-Erhöhungen über einige Jahre in Freizeit umgewandelt werden können.

Durch die Verkürzung der Arbeitszeit sei die gesundheitliche Belastung insbesondere durch Schicht- und Nachtdienst gesunken, was besonders Arbeitnehmer ab 40 Jahren entlaste, argumentierte der Betriebsrat. Zudem hätten die Kolleginnen und Kollegen mehr Zeit für Familie und Hobbies. Das Modell biete aber auch individuelle Flexibilität, denn jeder Mitarbeiter könne für sich selbst entscheiden, ob er mehr oder weniger arbeiten wolle. Auch für das Unternehmen gebe es Vorteile, denn im alten Modell sei die Mitarbeitersuche wegen der hohen Arbeitsbelastung schwierig gewesen.

Für eine neue Arbeitskultur plädierte der Gründer von Whatchado, Ali Mahlodji. Auf der Berufsorientierungsplattform hilft Mahlodji Jugendlichen seit fast einem Jahrzehnt bei der Jobwahl. Motivation und Regeneration seien wichtig, denn wie im Spitzensport könne man hohe Leistung nur bringen, wenn man vorher genügend regeneriert habe. Es gebe auch ein Leben nach der Arbeit, das sei den Jugendlichen heute mehr bewusst. Viele seien schon bereit, Vollzeit zu arbeiten, wenn sie dem Arbeitgeber vertrauen und dieser ihnen Wertschätzung und gute Arbeitsbedingungen biete. Gerade junge Männer müssten das Recht haben, sich auch um ihre Familie zu kümmern und entsprechend ihre Arbeitszeit zu reduzieren, ohne schief angesehen zu werden.

Erhöhte Produktivität durch Arbeitszeitverkürzung

"profil"-Wirtschaftsredakteur Joseph Gepp verwies auf ein Experiment in einem Pflegeheim in Schweden, wo die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich auf 30 Stunden reduziert wurde. Das habe weniger Krankenstände, eine motivierte Belegschaft und mehr Jobs gebracht. Allerdings habe die Gemeinde das Experiment nach zwei Jahren gestoppt, weil der Betrieb des Pflegeheims teurer geworden war. In personalintensiven Unternehmen gebe es bei einer Arbeitszeitverkürzung höhere Kosten. Alle Erhebungen zeigten aber, dass mit weniger Stunden pro Kopf mehr Leistung erbracht werden könne.

AK-Expertin Hruska-Frank verwies auf die aktuelle Arbeitsmarktlage: Es gebe fast eine halbe Million Arbeitslose und Hunderttausende in Kurzarbeit. Der Gedanke, dass durch Arbeitszeitverkürzung die Produktivität zurückgehe sei komisch, wenn man so einen großen Teil der Workforce brachliegen lasse. "Wenn ich mehr Leute am Wirtschaftsprozess beteilige, erhöht das ja alleine schon die Produktivität." Österreichs Arbeitsmarkt sei von einer Spreizung geprägt - sehr viele Teilzeit arbeitende Frauen und viele Vollzeit mit Überstunden arbeitende Männer. Eine Reduktion der Arbeitszeit mit vollem Lohnausgleich würde allen helfen, die Vollzeitarbeitenden entlasten und die Teilzeitkräfte aufwerten und ihnen mehr Einkommen bringen.

Die AK tritt für eine staatliche geförderte Arbeitszeitverkürzung mit einer Soli-Prämie ein: Wenn vier Mitarbeitende ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent reduzieren, könne eine fünfte Person neu eingestellt werden. Der Einkommensverlust solle mit einem je nach Einkommenshöhe gestaffelten Modell ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Gutverdienende ab 5.371 Euro sollen keine Förderung mehr erhalten. Vorbild sei das seit 20 Jahren bestehende Solidaritätsprämienmodell des AMS: Dabei verringern Beschäftigte ihre Arbeitszeit um bis zu 50 Prozent, eine beim AMS arbeitslos vorgemerkte Person wird neu eingestellt. Das AMS ersetzt zwei bis drei Jahre bis zu 50 Prozent des Entgeltausfalls und die Sozialversicherungsbeiträge, die auf Basis der ursprünglichen Arbeitszeit weiterbezahlt werden.

(APA/Red.)

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