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Citizenfour - Kritik und Trailer zum Film

Der NSA-Skandal begann mit einer E-Mail an Regisseurin Laura Poitras. "Ich bin ein hochrangiger Mitarbeiter der Geheimdienste", schreibt der Unbekannte, der sich "Citizen Four" nannte. Es ist Edward Snowden. Poitras fliegt mit zwei anderen Journalisten nach Hongkong, um den Informanten zu treffen.


Eineinhalb Jahre ist es her, seitdem Berichte über das schockierende Ausmaß der Überwachungsmaßnahmen des US-Geheimdienstes NSA um die Welt gingen. Whistleblower Edward Snowden ist seitdem auf der Flucht, seine erste Vertrauensperson Laura Poitras hat ihren Dokumentarfilm über die Geschehnisse fertiggestellt. Ab 1. Jänner ist “Citizenfour” auch in den österreichischen Kinos zu sehen.

Edward Snowden – Die Geschichte

“Dies wird keine Zeitverschwendung für Sie sein”, schreibt Edward Snowden im Jänner 2013 der US-Dokumentarfilmemacherin Laura Poitras unter dem Decknamen “Citizen Four”. In verschlüsselten E-Mails kündigt er an, ihr Beweisunterlagen für illegale Massenüberwachungsprogramme der National Security Agency (NSA) und anderer Geheimdienste zu liefern, die von Telekommunikationsdiensten beliefert werden. Er habe sie nicht dafür ausgewählt. “Du hast das getan” – steht Poitras als Kritikerin der US-Regierung doch selbst längst unter Beobachtung, arbeitet zu dieser Zeit bereits an einem Film über verdeckte Massenüberwachung und wendet dementsprechend hohe Verschlüsselungscodes an. “Nur Leute wie Sie können diese Geschichte erzählen”, schreibt Snowden.

Mit der ersten, vorsichtigen E-Mail, vorgelesen von Poitras, startet die Dokumentarfilmemacherin ihren Film. Es dauert eine halbe Stunde, bis Snowden das erste Mal zu sehen ist – auf einem Bett in einem Hotelzimmer in Hongkong, wo er sich im Juni 2013 für acht Tage mit Poitras sowie den britischen “Guardian”-Journalisten Glenn Greenwald und Ewn MacAskill trifft. Hier navigiert er sie durch die komplexen, geheimen Dokumente, die er als Mitarbeiter einer Beratungsfirma für die NSA beschafft hat, erläutert seine Motive, verfolgt die Fernsehnachrichten, die auf die ersten Enthüllungsgeschichten von Greenwald und MacAskill folgen, und trifft schließlich einen Menschenrechtsanwalt, der die Möglichkeit politischen Asyls mit dem von nun an meistgesuchten Mann der USA bespricht.

Poitras lässt davor und danach andere Whistleblower und Datenschützer wie den Kryptomathematiker und Ex-NSA-Mitarbeiter William Binney sowie den IT-Sicherheitsexperten Jacob Appelbaum zu Wort kommen, zeigt den alles abstreitenden Ex-NSA-Chef Keith Alexander vor dem US-Kongress und führt damit vor Augen: Die Angst vor dem Datenhunger der NSA war bereits vor Snowden da. Nur haben die Beweise gefehlt.

Dokumentation über Spionageaffäre

Poitras reist für ihren Film von Rio de Janeiro über Berlin nach London, New York und Moskau, ummantelt ihre Erzählung mit Bildern aus einer Fahrt durch den Tunnel, ins dunkle Ungewisse, und mit Standbildern von Server-Standorten der NSA. Doch es ist diese Stunde elektrisierenden Kammerspiels im Hongkonger Hotelzimmer, die den Zuseher in ihrer Unmittelbarkeit zusehen lässt, wie Weltgeschichte geschrieben wird. Klaustrophob die Stimmung, paranoid die Protagonisten: Die Anspannung ist förmlich greifbar, nicht zuletzt wenn Sekunden, nachdem Snowden den Telefonabschluss absteckt, die Feueralarmsirene im Stockwerk ertönt und er an einen Hinweis glaubt, dass sie abgehört wurden. Später maßregelt Snowden Greenwald, weil dessen Passwort zu kurz ist. Am Ende des knapp zweistündigen Films ist Greenwald vorsichtiger – wenn nicht paranoider – und kommuniziert mit dem neben ihm sitzenden Snowden im russischen Exil nur per Notizzetteln.

Die Kamera hält Snowdens ehrbare Motive, für das Wohl der amerikanischen Bevölkerung große Risiken auf sich zu nehmen, ebenso fest wie die sichtliche Nervosität, die sich mit seinem Outing in der Presse einschleicht. Während er die ersten “Breaking News” verfolgt, chattet er mit seiner Freundin, die von seinen Absichten nichts gewusst hatte – und im gemeinsamen Zuhause bereits verhört wurde. Und bald wird aus dem eloquenten, selbstreflektierten, bedachten 30-Jährigen für kurze Momente vor dem Spiegel ein eitler, angespannter Mann, der einsehen muss, dass keine Kontaktlinsen und keine Dosis Haargel brauchbare Tarnung bringt.

Kritik zu “Citizenfour”

Poitras ist dabei nicht nur diejenige, die das Geschehen festhält, sondern auch maßgeblich an der Ermöglichung beteiligt ist. Nichtsdestotrotz hält sie sich im Hintergrund, einzig ihre Stimme ist in “Citizenfour” präsent. Der Film bildet den Abschluss ihrer Trilogie über die USA nach dem 11. September, der die Oscar-nominierte Anti-Irakkriegs-Doku “My country, my country” (2006) sowie “The Oath” (2010) über das Gefangenenlager in Guantanamo zuvorstehen.

Noch lange nicht aufgearbeitet scheint die Spionageaffäre, die Snowden ins Rollen gebracht hat. Heute mit seiner Freundin im Exil in Russland lebend, will die USA ihm weiter den Prozess machen. An der Politik der Regierungen der USA oder auch Großbritanniens, die den “Guardian” die Speicherkarten mit dem heiklen Material zerstören ließ, hat sich seitdem nichts geändert. So kommt “Citizenfour” genau zur richtigen Zeit: Um noch einmal wachzurütteln und dem bis dato größten Whistleblower des 21. Jahrhunderts Tribut zu zollen.

Trailer zur Doku

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