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CIA-Affäre: Polen als Verhörzentrum

Die Affäre um CIA-Geheimflüge und -gefängnisse zieht Kreise: Das wichtigste CIA-Verhörzentrum in Europa ist nach Informationen von Human Rights Watch (HRW) bis vor Kurzem in Polen gewesen.

Dies gehe aus Hinweisen aus Sicherheitskreisen und Dokumenten hervor, sagte HRW-Vertreter Marc Garlasco der Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Der UNO-Ombudsmann im Kosovo, Marek Nowicki, warf dem US-Militär vor, auf dem Kosovo-Stützpunkt Camp Bondsteel ein Geheimgefängnis zu unterhalten. „Es kann keinen Zweifel daran geben, dass in Camp Bondsteel seit Jahren ein Gefängnis existiert, das keiner externen zivilen oder juristischen Kontrolle unterliegt“, sagte er der „Berliner Zeitung“.

Laut HRW werden derzeit weltweit mindestens 100 Gefangene in geheimen CIA-Gefängnissen verhört. Etwa ein Viertel von ihnen sei bis vor Kurzem in Polen gefangen gehalten worden. In Polen soll es mindestens zwei solche Gefängnisse gegeben haben, eines in der Nähe des ehemaligen Militärflughafens Szymany in Stare Kiejkutyin (Masuren) und ein größeres in Südpolen. Zu dem von Garlasco erwähnten südpolnischen Zentrum gab es bisher keine Informationen.

Der wichtigste in Polen festgehaltene Gefangene soll nach Angaben des US-Senders ABC Khaled Sheikh Mohammed gewesen sein, der 2003 in Pakistan festgenommene mutmaßliche frühere Militärchef und Chefplaner von Al-Kaida. Die ersten Medienveröffentlichungen in den USA hätten die Arbeit von Human Rights Watch erschwert, sagte Garlasco. „Wir wollten die Untersuchung zu Ende führen, das Gebäude finden, in dem Khaled Sheikh Mohammed festgehalten wurde.“ Nach dem ersten Bericht in der „Washington Post“ Anfang November seien die Gefangenen aber nach Nordafrika gebracht und die Spuren in Polen verwischt worden.

Der polnische Jurist Nowicki konnte den Kosovo-Stützpunkt Camp Bondsteel Ende 2000 und Anfang 2001 zwei Mal besuchen. Sein Eindruck: „In dem Gefängnis sah es aus wie auf den Bildern, die man von Guantanamo kennt.“ Nowicki, einst Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, leitet die UNO-Beschwerdestelle im Kosovo seit sechs Jahren. Vor knapp zwei Wochen hatte die französische Zeitung „Le Monde“ unter Berufung auf den Menschenrechtsbeauftragten des Europarates, Alvaro Gil Robles, bereits über ein „Guantanamo-ähnliches Gefangenenlager“ der Amerikaner im Kosovo berichtet.

Ein führender Mitarbeiter des US-Außenministeriums hat inzwischen öffentlich zugegeben, dass das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) nicht wie gefordert Zugang zu allen von den USA festgehaltenen Gefangenen hat. Der juristische Berater des Ministeriums, John Bellinger, antwortete am Donnerstag in Genf auf die Frage, ob die USA der Hilfsorganisation auch wirklich den Zugang zu allen Gefangenen ermöglicht hätten, mit „Nein“. In der amerikanischen UNO-Botschaft hatte er zunächst erklärt, die USA hätten dem IKRK Zugang zu jedem Gefangenen auf dem US-Stützpunkt Guantanamo eingeräumt. Auf Nachfrage eines Journalisten verneinte er aber den uneingeschränkten Zugang. IKRK-Sprecher Florian Westphal verwies am Freitag darauf, dass IKRK-Präsident Jakob Kellenberger bereits Anfang 2004 die US-Regierung darauf aufmerksam gemacht habe, dass das IKRK auf einen Besuch aller Gefangenen – auch auf dem Stützpunkt Guantanamo auf Kuba – bestehe. Nach den Genfer Konventionen stehen der Organisation unbeaufsichtigte Gespräche mit allen Gefangenen zu.

Die deutsche Regierung will sich nicht zu Einzelheiten im Fall des verschleppten Deutschen libanesischer Herkunft Khaled al-Masri äußern. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wollte am Freitag in Berlin nichts zu der in den Medien aufgeworfenen Frage sagen, ob deutsche Sicherheitsbehörden eine Mitverantwortung tragen. Die „Berliner Zeitung“ meldete in ihrer Freitag-Ausgabe, nach ihren Informationen seien deutsche Sicherheitsbehörden mitverantwortlich für die Festnahme und Verschleppung des Deutsch-Libanesen. Bisher hatte es geheißen, der Deutsch-Libanese sei auf Grund einer Namensverwechslung verschleppt worden. Nach eigenen Angaben wurde Masri in den Verhören in Afghanistan aber auch nach der Islamistenszene in seinem Wohnort Neu-Ulm gefragt. Nach Einschätzung des von der Zeitung zitierten Sicherheitsbeamten zeigt dies, dass die US-Vernehmer wussten, wen sie vor sich hatten.

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