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Christen in der Türkei fühlen sich von AKP besser behandelt

©AP
Die Christen in der Türkei fühlen sich insgesamt von der jetzigen Regierung der islamischen Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) - und einem Staatspräsidenten aus diesem „Stall“ - besser behandelt als von früheren Regierungen.

Mehr als Kopftücher fürchten sie den Nationalismus der Opposition, der sich aus kemalistischen und „ittihadistischen“ Quellen speist. „Die AKP ist – im Gegensatz zu den anderen politischen Parteien – den religiösen Minderheiten gegenüber gesprächsbereit“, begründet Etyen Mahcupyan, Chefredakteur der türkisch-armenischen Wochenzeitung „Agos“, laut Kathpress die Präferenz der Christen für die AKP und den neuen Präsidenten Abdullah Gül: „Diese Leute wollen die Probleme der Minderheiten lösen. Sie sind uns gegenüber gutwilliger“.

Mahcupyan verweist auf das Gesetz, mit dem den christlichen Gemeinden jene Immobilien zurückerstattet werden sollten, die ihnen ab 1935 entzogen worden waren. „Es war die AKP, die sich darum bemüht hat, und es waren die kemalistische CHP (Republikanische Volkspartei) und die Ultranationalisten, die das zu verhindern versuchten“, betont der Chefredakteur, der auf diesem Posten dem im Jänner ermordeten Journalisten Hrant Dink nachgefolgt ist. Das Gesetz wurde im vergangenen Jahr von der AKP-Mehrheit im Parlament verabschiedet, scheiterte dann aber am Veto des – kemalistischen – Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer.

Auch der armenisch-apostolische Patriarch von Istanbul, Mesrob II. Mutafyan, äußerte sich in diesem Sinne gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“: „Die AKP ist im Umgang mit Minderheiten geradliniger und weniger nationalistisch“. Allerdings hat sich Gül in der Vergangenheit auch ablehnend gegen eine – von der EU geforderte – Wiedereröffnung der berühmten orthodoxen theologischen Hochschule auf der Prinzeninsel Chalki (Heybeli) geäußert.

Der Türkei-Experte von „missio“-Deutschland, Otmar Oehring, sagte, führende Vertreter der Kirchen in der Türkei erwarteten nach der Wahl Güls zum Präsidenten eine Verbesserung des Rechtsstatus der Kirchen. Es bestünden zumindest Chancen, dass Gül das von seinem Vorgänger Sezer verhinderte Stiftungsgesetz akzeptiere. Damit könnten auch die christlichen Kirchen über den Umweg von Stiftungen Eigentum erwerben. Skeptisch zeigte sich der deutsche Experte allerdings, ob Gül eher die Rolle eines Vermittlers zwischen Staat und Religionsgemeinschaften spielen oder in erster Linie seine islamische Klientel bedienen werde. Nach Einschätzung Oehrings ist die Türkei schon heute „ein islamischer Staat“. Die in der Verfassung festgelegte Trennung von Staat und Religion bestehe schon lange nicht mehr, weil die Behörden in Religionsfragen massiv eingreifen würden.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 hatte sich noch ein Drittel der Bevölkerung auf dem Territorium der heutigen Türkischen Republik zum Christentum bekannt. Heute sind es nur noch 100.000 Menschen. Als sie Mitte der 1990er Jahre knapp ein Jahr an der Regierung war, hatte die später verbotene islamische Wohlfahrtspartei (Refah) des vom Militär zum Rücktritt gezwungenen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan eine freundlichere Haltung gegenüber den christlichen Minderheiten eingenommen und deren höchste Würdenträger regelmäßig konsultiert. Die AKP ist eine Nachfolgeorganisation der Refah. Erbakan galt als politischer Ziehvater von Gül.

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