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China: Demütigung von Prostituierten

Die öffentliche Demütigung von 167 Prostituierten, Zuhältern und Kunden, die in Shenzhen (Südchina) auf der Straße angeprangert worden sind, hat in China eine heiße Debatte ausgelöst.

„Kann Erniedrigung besser funktionieren als das Gesetz?“, fragte die Tageszeitung „China Daily“ und kritisierte die Polizei: „Kein Gesetz erlaubt ihr, Verdächtige auf die Straße zu zerren und und öffentlich zu verurteilen.“ Das englische Sprachorgan legte noch eins drauf: „Liebesdienerinnen anzugreifen und zu beleidigen, kann die Prostitution in diesem Land nicht beseitigen. Diese Praxis, die nichts mit dem Gesetz zu tun hat, beschmutzt die Polizei.“

Nun hat China gleichwohl eine Tradition, Verbrecher an den Pranger zu stellen. In Schauprozessen werden Kriminelle angeklagt, um dem Milliardenvolk zu demonstrieren, dass die Regierung gegen Kriminalität „hart durchgreift“ (yanda), wie die laufende Kampagne zur Verbrechensbekämpfung heißt. Ähnlich sollen öffentliche Urteilsverkündungen etwa in Fußballstadien der Abschreckung dienen. In Shenzhen mussten die Prostituierten im „Dorf der Freundinnen“, wie das für sein Sexgewerbe bekannte Viertel heißt, in leuchtend gelber Kleidung vor rund 1000 teils applaudierenden Zuschauern auf der Straße vortreten. Sie durften ihr Gesicht nur mit einer Atemmaske schützen, doch wurden Namen, Heimatdörfer und Geburtsdaten verlesen.

Die ungewöhnlich kritische Reaktion auf die Polizeiaktion deutet auf einen Wandel der Moral- und Rechtsvorstellungen in China hin. In der Protestwelle beteiligten sich 150.000 Menschen an einer Umfrage des Webportals sina.com. 70 Prozent lehnten die öffentliche Parade in Shenzhen ab, „weil sie die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten verletzt“. Anstoß wurde auch daran genommen, dass keiner der Angeklagten, die von der Polizei auf die Straße gezerrt wurden, vor Gericht schuldig gesprochen, sondern nur aufgegriffen worden waren.

Ungewöhnlich war die Offenheit, mit der die staatlich kontrollierten Medien und Internetportale die Rechtsdiskussion führen und wie offen sie die Polizei kritisieren durften. Solange die Ermittlungen andauerten, könnten Beschuldigte nicht als Verurteilte bezeichnet werden, bemängelte der Anwalt Yao Jianguo aus Schanghai in einem Protestbrief an den Ständigen Ausschuss des Volkskongresses: „Mit der Entwicklung der menschlichen Zivilisation und dem Rechtsfortschritt sind solche barbarischen Strafen aus modernen Gesellschaften ausradiert worden.“

Professor He Bing von der Universität für Recht und Politik in Peking betonte in der Zeitung „Xinjingbao“, im behördlichen Bestrafungssystem „müssen zuerst die Menschenrechte und die Würde der Menschen geschützt werden“. Er bezog sich auf die administrativen Strafen, die in China ohne Gerichtsverfahren sogar behördlich angeordnete Umerziehungshaft im Lager bis zu drei Jahren erlauben. Nach diesen Rechtsvorschriften, die internationalen Standards eklatant widersprechen und von Menschenrechtlern immer wieder scharf kritisiert werden, konnten die Liebesdienerinnen, Zuhälter und Kunden zwei Wochen in Haft gehalten werden. Professor He Bing betonte aber, es gebe hier keine Rechtsvorschrift, die der Polizei erlaube, jemanden durch eine öffentliche Parade zu bestrafen. Anwalt Yao Jianguo wurde in der „China Daily“ zitiert, dass die Polizeiaktion „illegal ist und ein schlechtes Beispiel gibt“. Er bezweifelte einen Abschreckungseffekt im sexuellen Gewerbe, das trotz des Verbotes der Prostitution in China unter den Augen der Polizei in allen Städten floriert: „Die öffentliche Parade wird keine Warnung sein.“

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