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Cheney verstärkt Druck auf Irak

Irak - US-Vizepräsident Dick Cheney ist am Mittwoch überraschend in Bagdad eingetroffen, wo er die irakische Führung zu größeren Anstrengungen gegen die Gewalt drängen will.

Der nicht angekündigte Besuch dürfte Ausdruck der wachsenden Unzufriedenheit der USA mit der Regierung von Premier Nuri al-Maliki sein, der es bisher nicht gelungen ist, sich mit Sunniten und Kurden auf eine Teilung der Macht zu verständigen. In den bisher relativ ruhigen Kurdengebieten kamen bei einem Selbstmordanschlag unterdessen 14 Menschen ums Leben, wie die Regionalregierung mitteilte. In Medienberichten war von 19 Toten die Rede. In Kirkuk wurden vier irakische Journalisten erschossen.

„Es geht eine Menge vor. Es ist eine wichtige Zeit. Es gibt großen Gesprächsbedarf“, sagte Cheney vor einem Treffen mit dem Kommandanten der US-Truppen im Irak, General David Petraeus. Die US-Truppen unternehmen seit geraumer Zeit erhebliche Anstrengungen, in Bagdad die Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten einzudämmen. Der für die Hauptstadt zuständige US-Generalmajor Joseph Fil warnte vor zu großen Erwartungen in einen Erfolg der Offensive bis September. „Wir werden vorankommen. Aber um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass es im September getan sein wird“, sagte Fil in einem Interview. Im September will Petraeus eine Bilanz der Sicherheitsoperation ziehen.

US-Präsident George W. Bush steht unter starkem innenpolitischen Druck, die Truppen aus dem Irak abzuziehen. Vorige Woche legte er sein Veto gegen eine Resolution des von der Demokratischen Partei dominierten Kongresses ein, mit 1. Oktober mit dem Rückzug der Kampftruppen zu beginnen. Zeitgleich zur Ankunft Cheneys wurde eine Umfrage veröffentlicht, der zufolge 60 Prozent der US-Bürger einen Zeitplan für den Abzug befürworten.

Zusätzlich ist die irakische Führung unter neuen innenpolitischen Druck geraten. Vertreter der sunnitischen Minderheit haben mit einem Rückzug aus Malikis Regierung gedroht, weil dessen schiitische Mehrheit ihre Interessen ignoriere. Die USA halten die Regierungsbeteiligung der Sunniten aber für notwendig, um sie in den Friedensprozess einzubinden. Viele Anschläge werden von Sunniten verübt. Auf diese Volksgruppe hatte sich der frühere Machthaber Saddam Hussein gestützt. Weitere Probleme gibt es mit der kurdischen Minderheit, die im Parlament ein Gesetz über die Verteilung der Einnahmen aus dem Ölgeschäft blockieren will.

In der Regionalhauptstadt Arbil riss eine auf einem Lastwagen versteckte Bombe nach Angaben des kurdischen Innenministers Kareem Sinjari 14 Menschen in den Tod und verletzte 87 weitere. Der 800 Kilogramm schwere Sprengsatz detonierte in der Nähe des Innenministeriums. Das Fernsehen zeigte Bilder von Soldaten und Polizisten, die Verletzte aus den Trümmern retteten. Die Explosion riss einen riesigen Krater in die Fahrbahn und beschädigte mehrere Gebäude. Zuletzt hatte im Mai 2005 ein Selbstmordattentäter in Arbil 60 Menschen getötet.

Beim Beschuss von Aufständischen tötete ein US-Kampfhubschrauber fünf Passanten. Unter den Opfern des Zwischenfalls vom Dienstag waren nach Angaben der US-Streitkräfte zwei Kinder. Ein Sprecher wies Presseberichte zurück, denen zufolge die Besatzung eine Schule beschossen hatte.

In Washington sorgte ein von den US-Demokraten vorgelegter neuer Vorschlag zur Finanzierung des Irak-Einsatzes für weiteren Diskussionsstoff mit dem Weißen Haus. Dem Entwurf zufolge sollten in einem Zwei-Stufen-Verfahren zunächst die bis August benötigten Gelder freigegeben und dann je nach Entwicklung der Lage die weiteren Mittel bewilligt werden. Bush soll demnach im Juli Bericht erstatten, ob Bagdad die von den USA geforderten Fortschritte in der Innen- und Sicherheitspolitik gemacht hat. Danach sollten die Abgeordneten abstimmen, ob sie die weiteren Gelder in Höhe von rund 40 Milliarden Dollar (29,6 Mrd. Euro) bewilligen. Das Repräsentantenhaus könnte bereits am Donnerstag über den Entwurf abstimmen.

Das Weiße Haus reagierte verärgert und kritisierte den Plan als „schlechtes Management“. Der Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, sagte, mit dem Entwurf würden Soldaten im Kampfeinsatz behandelt „wie Kinder, die monatliche Unterhaltszahlungen erhielten“.

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