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Chauncey Calhoun: "Ich würde gerne wiederkommen"

Chauncey Calhoun beim Eurobowl-Finale auf der Hohen Warte
Chauncey Calhoun beim Eurobowl-Finale auf der Hohen Warte ©vienna.at/sportshooter.at
Chauncey Calhoun, herausragender Spieler im Angriff der Raiffeisen Vikings, zieht im Exklusiv-Interview Bilanz über die Saison 2010 und verrät, dass er in der kommenden Saison wieder für die Vikings spielen möchte.

Vienna Online: Chauncey, die Saison 2010 ist vorbei. Es war deine erste mit den Vikings. Wie war sie aus deiner Sicht?
Chauncey Calhoun: Ich habe jede Sekunde geliebt. Die Saison war für mich etwas ganz Besonderes. Ein ganz besonders tolles Erlebnis für mich waren die Vikings-Fans. Sie sind immer präsent. Wir werden von ihnen unterstützt, auch wenn wir verlieren. Die Menschen rund um die Vikings sind einzigartig. Sie kontaktieren dich über Facebook. Du bekommst Mails, Anrufe, Einladungen. Das rührt mich total. Du fühlst dich in Wien willkommen. Besonders für die amerikanischen Legionäre ist es wichtig, eine Art „zweite Heimat“ zu besitzen. Wir kommen aus den Staaten. Wenn du nach Wien kommst kennst du niemanden. Es gäbe sehr viele Leute bei denen ich mich bedanken möchte, aber das würde deinen Rahmen sprengen.

Vienna Online: Auf dem Spielfeld bist du der klassische Playmaker. Wie würdest du deine Saison einordnen?
Chauncey Calhoun: Auf einer Skala von null bis zehn? (überlegt kurz) Sieben Komma fünf bis acht. Es gab Dinge, die hätte ich besser machen können. Natürlich gab es auch Situationen auf dem Spielfeld, in denen ich mich besser freilaufen hätte können. Aber ich möchte jetzt nicht zu groß über meine persönlichen Leistungen sprechen. Ich hoffe sehr, dass ich nächste Saison wieder zurückkommen darf, um mich weiter zu verbessern.

Vienna Online: Wir haben vor der Saison ein Interview gemacht wo gemeint hast, dass du die beiden Finalspiele gewinnen willst. In der heimischen Meisterschaft sind die Vikings knapp an den Danube Dragons gescheitert. Würdest du die Saison am Ende als erfolgreich bezeichnen? Bist du enttäuscht über den Ausgang?
Chauncey Calhoun: Nein, überhaupt nicht! Wir haben es in ein Finale geschafft. Ich weiß nicht, welches der wichtigere Wettbewerb ist. Einige sagen es ist die Austrian Bowl – andere sagen die Euro Bowl. Für mich persönlich ist es die Euro Bowl. Weil in diesem Wettbewerb alle Spitzenteams aus Europa mitspielen. Wir haben es gegen die Danube Dragons knapp nicht geschafft und gegen Berlin Adler war es praktisch mit dem letzten Spielzug entschieden. Natürlich bin ich traurig, dass wir keinen Titel errungen haben. Aber enttäuscht bin ich nicht. Wir haben als Team in jedem Spiel immer unser Maximum gegeben. Es hat knapp nicht gerecht. Das müssen wir akzeptieren. Auch wenn wir es gerne anders erlebt hätten und einen Titel gerne gewonnen hätten. Denn besonders für meine österreichischen Teamkollegen wäre es eine tolle Sache gewesen, heuer einen Titel zu gewinnen. Sie sind großartige Menschen.

Vienna Online: Du hast nach den ersten Spielen gesagt, du wärst „eingerostet“. Wäre deiner Meinung nach ein Spiel in der Saisonvorbereitung gut für die Spieler, um diesen Rost abzulegen?
Chauncey Calhoun: Vielleicht! Besonders für Legionäre, die in der letzten Saison noch gespielt haben, wäre es vielleicht eine Hilfe. Bei mir war es anders. Ich habe eine Saison nicht gespielt. Natürlich habe ich hart trainiert. Aber die besten Einheiten können die Matchpraxis einfach nicht ersetzen. Der Rost war zwar relativ schnell wieder weg. Aber ob ein Preseason-Spiel etwas geholfen hätte heuer ist sehr hypothetisch und für mich kaum zu beantworten. Ich denke, es war in Ordnung so. Meine Leistungen waren okay und ich hoffe, dass ich sie möglicherweise nächstes Jahr weiter steigern kann.

Vienna Online: Es war deine Saison in Wien. Wie ist es dazu gekommen?
Chauncey Calhoun: Ich bin von den Minnesota Vikings entlassen worden und ich habe meinen Agenten gefragt welche Chancen ich noch hätte, weiter Football zu spielen. Zuerst habe ich es in Kanada probiert. Ich habe gut trainiert aber sie haben sich gegen meine Verpflichtung entschieden. Dann hatte mein Agent die Idee mit der Arena Football League (Anm.: In den USA wird auf halbierten Feldern in der Halle mit leicht veränderten Regeln Football gespielt). Aber das wollte ich nicht. Da bist du als Receiver in kurzer Zeit körperlich ziemlich verbraucht. Na ja und dann kam Europa als Thema auf. Ich habe zu meinem Agenten gesagt er soll mir sagen wer die besten Teams sind. Ich wollte zu einer Mannschaft die um einen Titel mitspielen kann. Garantie dafür gibt’s natürlich keine. Gleich ganz oben auf der Liste in Europa standen die Vikings. Ich habe dann noch einige Freunde angerufen und die haben mir nur das Beste über Wien, die Menschen und die Fans erzählt. Einige haben vor 400 Leuten ihre Spitzenspiele ausgetragen. Aber hier in Wien ist es anders. Da spielst du ein Bowl Spiel vor knapp 6000 Zuschauern. Und die haben so einen Höllenlärm gemacht. Das war ein tolles Erlebnis – und ich habe schon viele laute Stadien erlebt. Wien ist einfach eine tolle Stadt. Ich bin ein Stadtkind (Anm.: Calhoun wohnt in den USA in Phoenix – Bundesstaat Arizona) und wollte in einer Metropole Footballspielen. Diese Stadt hat wirklich alles was du zum Leben brauchst. Wenn du Privatleben möchtest, ist es kein Problem. Aber auch wenn du etwas erleben möchtest, dann bietet dir Wien viele Möglichkeiten.

Vienna Online: Warst überrascht über die Größe der Stadt und die Art der Menschen?
Chauncey Calhoun: Wenn ich ehrlich bin ja doch etwas. Besonders, dass die Leute sich hier mit dem American Football so identifizieren war für mich sehr überraschend. Wie gesagt, ich hatte Freunde die nach Europa gekommen sind. Die haben vor 400, 500 Zuschauern gespielt. In Wien ist es anders. Die Menschen identifizieren sich mit ihrem American Football Team. Das ist toll. Wie gesagt es kommen 5.000 Leute zu den Spielen und sie machen intelligenten Lärm. Der ist so laut, dass du glaubst du spielst vor 15.000 oder 20.000 Zuschauern. Wenn du liest, dass die Stadt etwa zwei Millionen Einwohner hat, dann hast du im Vorfeld gewisse Vorstellungen. Aber nicht, dass du in eine Metropole kommst, die so viele Grünflächen hat. Die Infrastruktur und der öffentliche Verkehr sind auf einem tollen Niveau. Dazu die vielen tollen Sehenswürdigkeiten. Wien ist eine außergewöhnliche Stadt.

Vienna Online: Eine Frage die natürlich auch nach einem Jahr in Wien erlaubt sein muss. Wie sind deine Deutschkenntnisse?
Chauncey Calhoun: (lacht) Wie überall auf der Welt habe ich rasch die „bösen Worte“ beigebracht bekommen. Das ist überall auf der Welt so. Mittlerweile geht es schon ganz gut. Ich kann ein Gespräch verfolgen wenn es langsam und ohne Akzent geführt wird. Wenn es mir zu schnell geht unterbreche ich und sage „bitte was?“ (auf Deutsch). Das Interview würde ich aber noch lange nicht auf Deutsch führen können. Dafür ist es eine schöne aber sehr schwere Sprache. Aber wer weiß – vielleicht gelingt es mir 2011.

Vienna Online: Bei einem US-Legionär stellt sich eine Frage immer automatisch? Kommst du in der kommenden Saison wieder? Hast du für dich selbst eine Entscheidung getroffen?
Chauncey Calhoun: Ich habe diese Frage für mich schon lange beantwortet. Wenn die Vikings mich wollen bin ich 2011 sehr gerne wieder in Wien. Es passt hier einfach alles perfekt: Meine Teamkollegen, die sportlichen Ziele des Footballprogramms der Vikings, das Menschliche, das Umfeld. In Wien ist es für mich perfekt. Meine Präferenz für 2011 ist ganz klar. Ich möchte für die Vikings wieder spielen. Aber die Entscheidung liegt bei der Teamleitung. Ich hoffe sie entscheiden sich für mich – es würde mich sehr freuen.

Vienna Online: Wie sieht dein persönlicher Plan für die kommende Off-Season aus?
Chauncey Calhoun: Wenn ich in die USA fliege, werde ich ein Monat Urlaub machen. Die Saison in Österreich war sehr anstrengend. Dann werde ich einen Job suchen und mich in meiner Wohnung wieder einleben. Na ja, und dann wird es wieder mit dem Training losgehen.

Vienna Online: Du hast gesagt du willst Titel gewinnen. Kann eine Saison ohne Titel auch eine Motivation für die kommende Trainingsperiode sein?
Chauncey Calhoun: Eine richtige Feststellung. Ich weiß, ich hätte einiges besser machen können. Das will ich jetzt mit gutem Training aus mir herausholen. Ich bin mir sicher, in der kommenden Saison werde ich noch besser sein. Denn dieses Gefühl in der Magengrube nach der Niederlage im Euro Bowl Finale möchte ich nie mehr erleben müssen. Ich möchte einfach besser sein als mein Gegenspieler. Das ist mein Antrieb.

Vienna Online: Wenn du 2011 zurückkommst. Was können die Fans von Chauncey Calhoun erwarten?
Chauncey Calhoun: Hoffentlich eine bessere Ausgabe von mir. Viele haben zu mir gesagt, dass ich heuer nicht so schlecht gewesen wäre. Aber ich weiß: ich kann mehr. Ich möchte 2011 einfach ein besserer Footballspieler und ein besser Mensch sein.

Das Gespräch führte Thomas Muck
In Kooperation mit sportreport.at

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