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"Chagall bis Malewitsch": Russische Avantgarden in der Wiener Albertina

Die Albertina zeigt die Ausstellung "Chagall bis Malewitsch - Die russischen Avantgarden"
Die Albertina zeigt die Ausstellung "Chagall bis Malewitsch - Die russischen Avantgarden" ©APA
Gemeinsamkeit und Gegensatz: 130 Werke von "Chagall bis Malewitsch" werden ab Freitag in der Albertina zu sehen sein. Darunter traumgleiche Spaziergänge von Chagall, der spielerische Umgang mit Farben und Formen von Kandinsky oder Malewitschs Quadrate in rot und schwarz als Abkehr von jeglichem Realismus.
Bilder aus der Ausstellung
Das Jahresprogramm 2016

Es sind etliche Meisterwerke, die die Wiener Albertina ab dem morgigen Freitag bietet. Die Schau “Chagall bis Malewitsch” führt vor Augen, wie facettenreich die russischen Avantgarden gewesen sind.

Höhepunkte der russischen Avantgarde

Sie “vereint unvereinbare Positionen”, sagte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder bei der Presseführung am Donnerstag über die Ausstellung. Denn immerhin sei es nicht eine singuläre Avantgarde gewesen, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Russland entwickelt habe – es war eine Reihe von Avantgarden. Das werde gerade durch die Fokussierung auf die Malerei in den Exponaten deutlich: So ist hier keineswegs von einer Chronologie der Entwicklung auszugehen, vielmehr wird dem Besucher die Gleichzeitigkeit der Ausprägungen und auch deren Wettstreit vor Augen geführt.

“Jeder dieser Künstler war eine Persönlichkeit”

Die rund 130 Werke speisen sich zu großen Teilen aus der Sammlung des Staatlichen Russischen Museums in St. Petersburg. “Jeder dieser Künstler war eine Persönlichkeit”, betonte dessen Direktor, Vladimir Gusev. “Etwa Malewitsch, der sich als Gott proklamierte und sein schwarzes Quadrat als Sonne des 20. Jahrhunderts sah.” Die bolschewistische Revolution 1917 habe schließlich als Katalysator fungiert, “der viele Entwicklungen beschleunigt und in neue Richtungen gelenkt hat”. Von den Avantgardisten wurde diese zunächst einhellig begrüßt, hatte man doch bei aller Unterschiede laut Schröder einen gemeinsamen Feind: “Die Vergangenheit.”

Elf Ausstellungsräume in der Albertina

In den Kahn Galleries der Albertina machen insgesamt elf Räume diesen Kampf in all seinen Facetten deutlich: Man begegnet Neoprimitivismus, Rayonismus, Suprematismus, sieht sich kraftvollen, durchaus gegenständlichen Darstellungen ebenso gegenüber wie der maximalen Reduktion, was Farbe und Form betrifft. Man taucht ein in die Entwicklung der Protagonisten jener Zeit, die ein “Neben- und Gegeneinander der konkurrierenden Stile” kennzeichnete, so Schröder. Das habe durchaus extreme Formen angenommen: So sei Wassily Kandinsky vor seinem Gang nach Weimar eigentlich völlig verarmt. “Es war eine Flucht und Rettung zugleich.”

Ähnlich erging es Marc Chagall, der sich Kasimir Malewitsch beugen musste und schließlich nach Paris kam. “Eines seiner Hauptwerke, den ‘Geigenspieler’, hat er auf ein Tischtuch gemalt, weil er sich eine Leinwand nicht leisten konnte”, erzählte der Albertina-Direktor. “Der Wettbewerb war erbarmungslos.” Das auch deshalb, weil es neben dem bolschewistischen Staat quasi keine Auftraggeber gegeben habe. Konkurrenz und Verdrängung waren mit Existenz und Überleben gleichzusetzen.

Wege russischer Künstler in der Albertina nachgezeichnet

Die Unterschiedlichkeiten der Positionen werden in der Schau durch zwei Aspekte besonders hervorgehoben: Einerseits ist es die Farbgebung der Wände in den insgesamt elf Räumen, die von einem blassen Grau bis zu kräftigen Grün- und Blautönen reicht. Andererseits ist der Beginn “eigentlich ein Schock”, bemerkte Schröder: Fünf Bilderpaare verdeutlichen den Weg, den die Künstler oft in nur kurzer Zeit zurückgelegt haben. Beispielsweise Natan Altmans poetisches “Porträt der Dichterin Anna Achmatowa”, das seinem durch und durch politischen wie abstrakten “Petrokommuna” gegenübersteht.

Oder man sieht die Gleichzeitigkeit der Stile, wie Michail Larionows “Venus” und Sinaida Serebrjakowas “Bad” vor Augen führen: Zwei Darstellungen nackter Frauenkörper, entstanden innerhalb von nur zwei Jahren, und doch so unterschiedlich wie Tag und Nacht. “Die Vorstellung einer Entwicklungslogik in der Kunst erklärt diese Brüche nicht”, meinte Schröder, der gemeinsam mit Evgenia Petrova die Ausstellung kuratiert hat. “Es waren auch massive äußere Einflüsse.” Diese werden auch mit drei Videos, die extra für die Schau konzipiert wurden, veranschaulicht. So wird der geschichtliche Horizont der russischen Avantgarden vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu Stalins Aufstieg und dem damit verbundenen Ende des Pluralismus der Stile eingefangen.

“Es wird kalt in diesem Russland”

Genau dieser Einschnitt wird auch zum Ende des Rundgangs illustriert. “Es wird kalt in diesem Russland”, verwies Schröder auf diverse Winteransichten, die bei näherem Blick das Leid und Elend der Bevölkerung einfangen. Wladimir Malagis wiederum versammelt seine Figuren in beinahe stoischer Erwartung um einen Tisch, auf dem ein Radioempfänger die titelgebende “Rede Stalins” spielt. Künstlervereinigungen wurden Anfang der 1930er-Jahre geschlossen, etliche Avantgardisten verhaftet und Ausstellungen verboten. Es herrschte eine “Unruhe”, wie auch Kusma Petrow-Wodkin mit seiner verzweifelten Familie veranschaulichte.

Ausstellung “Chagall bis Malewitsch – Die russischen Avantgarden”
26. Februar bis 26. Juni in der Albertina
Albertinaplatz 1, 1010 Wien.
Täglich von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr.
Katalog zur Ausstellung erhältlich um 29 Euro im Shop sowie auf der Albertina-Website

>>Jahresprogramm der Albertina 2016: Von Pointillismus bis japanische Fotografie

(apa/red)

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