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Causa Yukos und russische Duma-Wahlen

Keine signifikanten Auswirkungen auf die Duma-Wahlen nächsten Sonntag hat nach Meinung politischer Beobachter die jüngste Zuspitzung der Yukos-Affäre.

Diese gipfelte in der Verhaftung Michail Chodorkowskis im Vormonat sowie der unmittelbar darauf erfolgten Beschlagnahmung von Yukos-Aktien und dem Rücktritt des den russischen Großindustriellen nahe stenden Kreml-Verwaltungschefs Aleksander Woloschin. Alexej Wedew, ein Wirtschaftsanalytiker des Think Tanks „Vedi“, meinte in einem Telefongespräch mit der APA in Moskau, dass die so genannten „Oligarchen“ – also das Großindustriellentum – in Russland nur noch wenig Einfluss auf die Politik ausübten und somit im Vorfeld der Parlamentswahlen auch keine Verunsicherung bewirkten. „Der Wirtschaftskurs im Lande wird nicht mehr von den Großindustriellen bestimmt. Vielmehr haben (seit Putin) Regierung sowie ausländische Investoren an Einfluss gewonnen.“

Am nächsten Sonntag würden, so Wedew, in erster Linie jene Parteien profitieren, die einen ausgesprochenen „Anti-Oligarchen-Kurs“ eingeschlagen hätten, wie die erst zu Beginn des Jahres aus der Taufe gehobene Gruppierung „Rodina“ (Vaterland), die der größte Nutznießer aus der Causa Yukos sei. Er rechnet mit einem Stimmengewinn von bis zu acht Prozent für diese Gruppierung. Hingegen würden Pro-Chodorkowski-Parteien wie SPS oder Yabloko die großen Verlierer der Affäre sein.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Jewgeni Volk, der Leiter des konservativen Heritage-Politik-Zentrums in Moskau. Die Regierung habe mit ihrer Kampagne gegen Yukos den richtigen Zeitpunkt erwischt, so der Politologe gegenüber der APA. Die Bevölkerung sei wegen des Vorgehens der russischen Großindustriellen immer schon „irritiert“ gewesen, auch wenn der Einfluss der Oligarchen auf das politische Geschehen im Lande in den letzten Jahren „erheblich nachgelassen hat“. Volk betont aber in einem Atemzug, dass man zwischen den einzelnen Oligarchen differenzieren müsse. Nicht für alle Multimillionäre würde demnach der nächste Sonntag zum Tag der Abrechnung werden. Leute wie Wladimir Potanin, der über große Anteile in der russischen Schwerindustrie-, Medien- und Bankenbranche verfügt, oder Wagit Alekperow, der Haupteigentümer des zweitgrößten russischen Erdölunternehmens Lukoil, hätten sich in letzter Zeit gegenüber dem Kreml „loyal“ verhalten und wären somit in Russland vor Verfolgung „sicher“

Volk sieht in „Jedinaja Rossija“ den Hauptnutznießer aus der Causa Yukos, auch wenn für ihn die prognostizierten 60 bis 65 Prozent der russischen Wahlberechtigten, die nächsten Sonntag zu den Urnen gehen sollen, eine „große Enttäuschung“ darstellen. „Diese niedrige Wahlbeteiligung wird sich besonders für die Rechts-Mitte-Parteien negativ auswirken“, die in der Yukos-Affäre auf der Seite Chodorkowskis stünden. Volk meinte dabei unmissverständlich „Yabloko“ sowie SPS, die Vereinigung rechter Kräfte.

Auch Angelika Henkel, eine Analytikerin im größten russischen Privatfinanzinstitut „Alfa-Bank“, das einen Teil der Yukos-Aktien mitverwaltet, erkennt in der jüngsten Entwicklung rund um Yukos keine gravierende Auswirkung auf den Urnengang am 7. Dezember. Dennoch habe die Krise des russischen Energiegiganten einen negativen Effekt auf den russischen Aktienmarkt gehabt. „Doch wird dieser Markt mittelfristig sich wieder stabilisieren“, prophezeit Henkel.

Dass der Fall Chodorkowski viel weniger die Bevölkerung verunsichert hat als das Großkapital selbst, zeigt ein unlängst abgehaltener Kongress der Russischen Industriellenvereinigung, auf der sich die meisten schwerreichen Unternehmer auf die Seite der Regierung stellten und für Unterstützung der Kreml-Partei „Jedinaja Rossija“ warben. Beobachter werten dies als Selbstschutzmaßnahme der potenziellen Schicksalsgenossen Chodorkowskis, um weiteren Vergeltungsschlägen seitens der Regierung zuvorzukommen.

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