Causa Wienwert: Wiener ÖVP-Chef Mahrer angeklagt

Insgesamt werden sich elf Personen vor einem Schöffensenat verantworten müssen.
Die WKStA hatte in dem Fall seit 2017 ermittelt. Die Immobilienentwicklungsgesellschaft Wienwert war 2018 insolvent geworden. Geschädigt wurden mehr als 1.800 Anlegerinnen und Anleger, die Anleihen des Unternehmens gezeichnet hatten. Inkriminierter Schaden: Rund 41 Millionen Euro. Knapp 23 Millionen fallen laut der der APA vorliegenden Anklageschrift in die Zeit von Gruzes Vorgängern Nikos Bakirzoglu und Wolfgang Sedelmayer.
Mahrer wird Beitrag zur Untreue vorgeworfen
Neben den Wienwert-Managern, dem Donaustädter Bezirksvorsteher Nevrivy und dem Ehepaar Mahrer wurden zwei Rechtsanwälte, ein Wirtschaftsprüfer und ein Investor angeklagt. Es geht unter anderem um den Vorwurf der Untreue, des schweren Betrugs, der betrügerischen Krida, der Bilanzfälschung, der Bestechlichkeit und der Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Mahrer und seiner Ehefrau wird Beitrag zur Untreue vorgeworfen. So habe das von Mahrers Frau geführte PR-Beratungsunternehmen über einen Zeitraum von sieben Monaten insgesamt 84.000 von der Wienwert erhalten, ohne entsprechende Gegenleistungen erbracht zu haben. Mahrer, damals Landespolizei-Vizepräsident von Wien und später ÖVP-Nationalratsabgeordneter, stand zwar in keinerlei rechtlicher Beziehung zu dem Unternehmen, im Zusammenhang mit den Zahlungen von Wienwert trat er jedoch immer wieder für die PR-Agentur auf.
"Vorwürfe gegen das Ehepaar Mahrer werden vor einem unabhängigen Gericht widerlegt werden können"
Für Mahrers Verteidiger, Manfred Ainedter, steht fest, dass Mahrer und dessen Frau sehr wohl Leistungen für die Wienwert erbracht hätten. "Die ursprünglichen Vorwürfe der WKStA wurden in der Anklageschrift kurzerhand umgestellt. Während die Staatsanwaltschaft zunächst davon ausging, dass Christine Mahrer den Vertrag mit Gruze eigenständig mündlich abgeschlossen und eine Rechnung 'im Einvernehmen' mit Karl Mahrer gelegt habe, wird nun behauptet, das Ehepaar Mahrer habe Gruze aktiv zum Vertragsabschluss 'ermuntert und bestimmt'. Wann, wo und wie das passiert sein soll, bleibt die WKStA schuldig", erklärte er in einer Aussendung.
Für "zusätzliche Spannung" sorge laut Ainedter auch der Richter, der den Prozess führen wird: Michael Radasztics. Dieser verurteilte vor rund einem Jahr Ex-Kanzler Sebastian Kurz erstinstanzlich im Falschaussage-Prozess. Nach dem Urteil geriet er in die Schlagzeilen, nachdem bekannt wurde, dass er als Staatsanwalt wegen Verfehlungen in der Eurofighter-Causa eine Disziplinarstrafe bekommen hatte. Der Anwalt von Stefan Gruze - Norbert Wess - sei zeitweise Verteidiger von Radasztics gewesen. Ainedter vertrat im Disziplinarverfahren gegen Radasztics Ex-Finanzminister Karl-Heinz-Grasser. "Die Vorwürfe gegen das Ehepaar Mahrer werden vor einem unabhängigen Gericht widerlegt werden können", ist Ainedter überzeugt. Ob es in dieser Causa "nicht zumindest den Anschein der Befangenheit gibt, wird noch zu prüfen sein".
Nevrivy soll dem Wienwert-Vorstand vorab den geplanten Standort für eine Remisen-Erweiterung verraten haben, worauf dieser das Grundstück erwarb und es die Wiener Linien ihm zu einem weit höheren Preis abkaufen haben müssen. Dadurch sei der Stadt Wien ein Schaden von rund 850.000 Euro entstanden, teilte die WKStA in einer Aussendung am Donnerstagnachmittag mit. Im Gegenzug soll er von der Immobiliengesellschaft unter anderem mehrere VIP-Tickets für das Wiener Fußball-Derby sowie Spiele der Nationalmannschaft bekommen haben. Auch seien rund 36.000 Euro unsachgemäß an eine Musikgruppe aus seinem Heimatbezirk gegangen.
Gudenus und Tschank: Diversionsangebote
Diversionsangebote erhielten indes der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Markus Tschank sowie der ehemalige blaue Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus. Letzterer habe den angeklagten Wienwert-Vorstand um eine Spende an den operativ nicht tätigen FPÖ-nahen Verein "Wirtschaft für Österreich" ersucht. Dessen Obmann war damals Tschank, der ein entsprechendes Spendenersuchen stellte. Die darauffolgende Zuwendung von 10.000 Euro wird von der Staatsanwaltschaft als nicht deklarierte Parteispende gewertet. Beide Beschuldigten übernahmen die Verantwortung, das Diversionsverfahren ist noch offen.
Konkret sollen die Verantwortlichen der Wienwert Gruppe über Jahre hinweg angeboten haben, in Immobilienentwicklung zu investieren und Anlegern dafür beachtliche Renditen versprochen haben. Anleihen seien unter anderem in Fernsehspots breitenwirksam und durch eine vermeintliche Nähe zur Stadt Wien als besonders vertrauenswürdig beworben worden. Anleger sollten dadurch zu entsprechenden Investitionen verleitet worden sein, obwohl die Unternehmensgruppe bereits zahlungsunfähig war, so die Staatsanwaltschaft.
Darüber hinaus soll Gruze unter anderem Immobilien der Wienwert weit unter Wert an Dritte verkauft haben und damit einen Millionenschaden herbeigeführt haben. Auch soll er Unternehmen aus der Firmengruppe noch Darlehen gewährt haben, obwohl diese bereits insolvent waren.
Anwalt von Ex-Wienwert-Chef wies auf lange Verfahrensdauer hin
Gruzes Rechtsvertreter, Norbert Wess, wies in einer Aussendung auf die lange Verfahrensdauer hin. Sein Mandant sei den Strafverfolgungsbehörden in den acht Jahren stets zur Verfügung gestanden und habe sich immer kooperativ verhalten, "sowie umfangreich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen". Das gelte auch für die Zusammenarbeit mit dem Masseverwalter der Wienwert-Gruppe.
Darüber hinaus habe Gruze dazu beigetragen, den Schaden für die Unternehmensgruppe bzw. für deren Investoren zu reduzieren. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass keinesfalls schwerwiegende strafrechtliche Vorwürfe gegenüber Herrn Stefan Gruze aufrechterhalten werden können", wird Wess in der Aussendung zitiert. Gruze sei lediglich eineinhalb Jahre als Sanierungsvorstand tätig gewesen und habe mit dem Unternehmen zuvor nichts zu tun gehabt.
Vorwurf für Hallmann "unrichtig und substratlos"
Wegen betrügerischer Krida mitangeklagt ist auch der Unternehmer Klemens Hallmann. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) legt Hallmann im Wesentlichen zur Last, er habe im Wissen um die wirtschaftliche Notlage der Wienwert dieser Anteile an der Kaufhaus Wiener Straße 6-8 Projektentwicklung GmbH zum Verkauf angeboten und dabei für die Wienwert AG nachteilige Vertragsbedingungen diktiert. Dadurch sei den Gläubigern ein Schaden von knapp vier Millionen Euro entstanden.
Hallmann weist den gegen ihn erhobenen Vorwurf der betrügerischen Krida zurück. Dieser sei "unrichtig und substratlos", hielten Hallmanns Rechtsvertreter Peter Miklautz und Lukas Kollmann in einer der APA übermittelten Stellungnahme fest. "Die Entscheidung der WKStA, gegen unsere Mandantschaft Anklage zu erheben, wird zur Kenntnis genommen. Gegenwärtig prüfen wir den in der Anklage erhobenen Vorwurf. Soweit bislang ersichtlich, will die Anklage der Mandantschaft hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Transaktion offenbar ein Wissen über Interna der Wienwert unterstellen, über welches die Mandantschaft gar nicht verfügen konnte oder gar hatte", heißt es in der Stellungnahme von Hallmanns Rechtsvertretern. Miklautz und Kollmann kündigten am Freitag an, man werde "dem Gericht den Standpunkt der Mandantschaft näherbringen" und zeigten sich "überzeugt, dass sich dieser Vorwurf als unrichtig und substratlos herausstellen wird."
(APA/Red)