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Casino-Causa: Kurz patzte Korruptionsbehörde an

Sebastian Kurz wollte die Vorwürfe des Falter nicht kommentieren.
Sebastian Kurz wollte die Vorwürfe des Falter nicht kommentieren. ©APA/dpa/Michael Kappeler
Bei einem vertraulichen Gespräch mit Journalisten soll Kanzler Sebastian Kurz die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft massiv angegriffen haben. SPÖ und NEOS alarmierten, Kurz selber wollte die Causa nicht kommentieren.

Eigentlich vertrauliche Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zur Casinos-Affäre empören die Opposition. Kurz hatte in einem nicht zur Berichterstattung gedachten Hintergrundgespräch mit Journalisten die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) attackiert und sinngemäß als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet. SPÖ und NEOS reagieren alarmiert, Kurz wollte die Causa nicht kommentieren.

Gefallen sind die Aussagen des Bundeskanzlers in einem "off records" (also nicht zur Zitierung freigegebenen) Hintergrundgespräch am 20. Jänner in der Politischen Akademie der ÖVP. Kurz bezeichnete die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dabei als Netzwerk roter Staatsanwälte, das gezielt gegen ÖVP-Politiker vorgehe und Akten nach außen spiele. Der "Falter", der bei dem Termin selbst nicht dabei war, machte die Aussagen nun in einem Leitartikel unter Berufung auf anwesende Journalisten öffentlich.

Kurz: WKStA als "Netzwerk roter Staatsanwälte"

Kurz beschwerte sich demnach insbesondere über das Vorgehen gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger in der Casino-Affäre. Hier ermittelt die Behörde gegen frühere ÖVP- und FPÖ-Politiker wegen des Verdachts der Bevorzugung des Glücksspielkonzerns Novomatic bei Glücksspiellizenzen im Abtausch für die Bestellung des Wiener FPÖ-Politikers zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Der frühere Casinos-Chef Alexander Labak sagte außerdem aus, dass die Bestellung Sidlos in der damaligen türkis-blauen Koalition ein Gegengeschäft mit der FPÖ gewesen sei, um den ÖVP-Mann Thomas Schmid als Vorstand der staatlichen Industrieholding ÖBAG durchzubekommen. Die ÖVP hatte stets jeden Einfluss auf die Personalia bei der Glücksspielfirma zurückgewiesen.

Der Bundeskanzler wollte zur Berichterstattung über das Hintergrundgespräch am Mittwoch keine Stellungnahme abgeben. Ein Sprecher sagte auf APA-Anfrage, es sei das gute Recht eines Journalisten, in einem Leitartikel seine freie Meinung zu äußern. "Und dies wird von uns nicht weiter kommentiert." Zur Korruptionsstaatsanwaltschaft habe sich der Bundeskanzler am vergangenen Samstag im ORF-Radio ausführlich geäußert. In dem Interview hatte Kurz diesbezüglich auf die Zuständigkeit von Justizministerin Alma Zadic verwiesen. Offene Kritik an der Anklagebehörde übte er nicht.

SPÖ: Justizministerium seit 12 Jahren unter ÖVP-Leitung

Empört über die Aussagen des Kanzlers zeigte sich die SPÖ. Deren Fraktionsvorsitzender im Casinos-Untersuchungsausschuss, Jan Krainer, fordert Kurz auf, sich öffentlich zu entschuldigen. Der Justiz parteipolitische Motive zu unterstellen, sei "unfassbar". Außerdem habe es in den letzten zwölf Jahren ausschließlich "schwarze Justizminister gegeben". "Wenn der Rechtsstaat derartig diskreditiert, angepatzt und verleumdet wird, ist das eine besonders gefährliche Form des Populismus", so Krainer.

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper warf Kurz ein "brandgefährliches Verhalten" vor: "Die Korruptionsjäger, die Ibiza aufklären, sollen systematisch in der Öffentlichkeit diskreditiert und in ihrer Arbeit behindert werden." Justizministerin Alma Zadic (Grüne) müsse sich nun "ganz klar hinter 'ihre' Justiz stellen und die WKStA vor den Angriffen des Kanzlers in Schutz nehmen.

Zadic stellt sich hinter WKStA

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hat sich am Mittwoch hinter die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gestellt. Die kolportierten Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) könne sie nicht verifizieren und daher nicht bewerten, sagte Zadic im Gespräch mit der APA. Sie wisse jedoch, dass die WKStA objektiv und unabhängig von der Parteizugehörigkeit ermittle.

"Die Gespräche, die ich in den letzten Wochen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen durfte, bestätigen mir, dass die WKStA objektiv und unabhängig von der Parteizugehörigkeit ermittelt und arbeitet", deponierte Zadic am Mittwoch. Außerdem erinnert sie daran, dass ÖVP und Grüne im Regierungsprogramm die "Stärkung der Korruptionsbekämpfung" vereinbart haben. Es gelte, die unabhängige Ermittlungsarbeit der Staatsanwälte zu stärken und vermeidbare Berichtspflichten zu reduzieren.

Im Regierungsprogramm haben ÖVP und Grüne unter anderem eine Evaluierung des Managements von Großverfahren sowie der für Wirtschaftsgroßverfahren eingesetzten Kapazitäten vereinbart. Und "soweit sinnvoll" soll es auch eine Präzisierung der Zuständigkeiten der WKStA geben.

Zadic will Ermittlungsarbeit stärken

Letzteres hat zuletzt Spekulationen genährt, der Sonderstaatsanwaltschaft könnte die Zuständigkeit für Wirtschaftsverfahren entzogen werden. Zadic weist das allerdings zurück. "Das ist nicht geplant", versichert die Justizministerin. Auch Kritik des Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) an der WKStA sei ihr nicht bekannt: "Ich habe nichts wahrgenommen."

Einen ersten Schritt zur Stärkung der Unabhängigkeit der Ermittlungsarbeit sieht Zadic mit der Weisung an die Fachaufsicht, keine direkten Gespräche mehr mit Beschuldigten zu führen, bereits gesetzt. Dementiert hat die Ministerin allerdings, dass dem Strafrechts-Sektionschef Christian Pilnacek - wie medial kolportiert - die Fachaufsicht über die Ermittlungen zur Casinos-Affäre entzogen werden könnte.

Pilnacek hatte sich mit Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll und Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner getroffen. Beide sind Beschuldigte in der Causa Casinos. Zadic untersagte daraufhin per Weisung weitere Treffen und persönliche Telefonate mit Beschuldigten, "damit jeglicher Anschein der Befangenheit, der Beeinflussung oder der bevorzugten Behandlung vermieden wird", wie die Ministerin betont.

Staatsanwälte empört über "Angriff auf Rechtsstaat"

Die Vereinigung der Staatsanwälte spricht angesichts der Mittwoch bekannt gewordenen Attacke von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf die WKStA von einem "Angriff auf den Rechtsstaat". Den Vorwurf einseitiger Ermittlungen gegen die ÖVP weist Präsidentin Cornelia Koller im Gespräch mit der APA zurück und nennt als Beispiel die Anklagen gegen SPÖ-Politiker in der Salzburger Finanzaffäre.

"Wenn das so stattgefunden hat, dann ist das unvertretbar", sagt Koller zu den Aussagen des Kanzlers und spricht von einem "Angriff auf den Rechtsstaat und die Justiz als dritte Staatsgewalt". Den Beschuldigten in der Casinos-Affäre stehe es frei, Rechtsmittel gegen die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft zu ergreifen: "Wenn jemand der Meinung ist, dass Ermittlungen zuunrecht geführt werden, dann ist der Rechtsweg zu beschreiten."

Wollen Gespräch mit Kurz

In einem offenen Brief haben die Vertreter der Staatsanwälte am Mittwoch ein persönliches Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gefordert. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Christian Haider, will sich Koller dabei "Klarheit über das Geschehene und die damit verfolgten Motive verschaffen".

Kurz zu WKStA-Äußerungen: "So nicht formuliert"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will in einem Hintergrundgespräch nicht, wie von den Medien kolportiert, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als ein Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet haben, die einseitig in Richtung der ÖVP ermitteln. "Das habe ich so nicht formuliert", sagte Kurz am Mittwoch in Brüssel.

 "Aber dass es immer wieder im Öffentlichen Dienst politische Parteien gibt, die versuchen, Personen, die ihnen nahestehen, in Führungsfunktionen zu bringen, das ist ja, glaube ich, in der österreichischen Verwaltung immer mal wieder schon vorgekommen und in anderen Ländern auch", so der Kanzler nach einem Gespräch mit EU-Ratspräsident Charles Michel über das nächste EU-Budget. Auf die Frage, ob er volles Vertrauen in die Korruptionsstaatsanwaltschaft habe, antwortete Kurz, dass er "Vertrauen in den österreichischen Rechtsstaat" habe.

Der Bundeskanzler wies darauf hin, dass es immer wieder Regeln gegeben haben, "gewisse Institutionen" nicht zu kritisieren, wie zum Beispiel lange Zeit die Katholische Kirche. "Das war sankrosankt", so Kurz. In den letzten Jahrzehnten habe sich dies verändert und es dürfe auch kritische Diskussion darüber geben. Dies sei zum Beispiel nach den Missbrauchsfällen der Fall gewesen.

Kurz wolle gewisse Prozesse hinterfragen

Er bezeichnete es als "Glück, in einem Land leben zu dürfen, das einen funktionierenden Rechtsstaat" habe und eine "funktionierende Demokratie" sei. "Wir haben auch eine gut funktionierende Justiz in Summe, aber ich glaube, dass durchaus es legitim sein muss, gewisse Prozesse zu hinterfragen", so Kurz - der wiederholte, "großes Vertrauen in die Justiz in Summe" zu haben, es aber "den einen oder anderen Anlassfall gegeben" gegeben habe, wie zum Beispiel das Vorgehen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Da habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden, "die es so nicht geben hätte dürfen". Es sei sinnvoll, noch einmal zu hinterfragen, warum dies der Fall gewesen sei und was man tun könne, damit so etwas nicht mehr vorkomme, so der ÖVP-Politiker.

In dem "off records" (also nicht zur Zitierung freigegebenen) Hintergrundgespräch am 20. Jänner in der Politischen Akademie der ÖVP will Kurz gesagt haben, was er auch "jederzeit öffentlich gerne" sagen könne - "nämlich, dass es wichtig ist, dass es eine unabhängige Justiz gibt, dass es wichtig ist, dass die Justiz auch das Vertrauen aller hat." Er glaube, dass es "einige Fragen zu klären" gebe, insbesondere, ob es gelingen könne, dass die Verfahrensdauer in Österreich kürzer werde. "Wir haben immer wieder die Situation, dass Personen sehr, sehr lange Beschuldigte sind, dass es sehr lange braucht, bis Anklage erhoben wird, oftmals nichts herauskommt."

Es sei wichtig, dass "Personen, die sich etwas zuschulden kommen haben lassen, schnell verurteilt werden, schnell angeklagt werden, aber dass Personen, die sich nie etwas zuschulden kommen haben lassen, nicht jahrelang oder vielleicht sogar ein Jahrzehnt lang als Beschuldigte geführt werden, und dann Probleme in ihrem privaten Fortkommen haben", erklärte Kurz.

Darüber hinaus sei "immer wieder die Situation aufgetreten, dass Daten und Informationen zu Verfahren an die Öffentlichkeit geraten" seien und man "nach wie vor" nicht wisse, wie es dazu komme, so der Kanzler. Für unabhängige Verfahren sei es wichtig, dass diese nicht öffentlich geführt werden. "Das sind alles Themen, die glaube ich, zurecht diskutiert werden müssen", stellte er fest.

Kurz habe volles Vertrauen in Zadiz

Die Justizministerin (Alma Zadic, Grüne, Anm.) habe sein volles Vertrauen und leiste "gute Arbeit", so Kurz. Wenn es das Potenzial gebe, dass die unabhängige Justiz besser werde, werde sie alles dafür tun, dass dieses ausgeschöpft werde, ist er überzeugt. Zadic hatte sich am Mittwoch hinter die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gestellt.

(APA/red)

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