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Carl Djerassi schenkt der Albertina Klee-Sammlung

©© Philipp Horak
Das Sammeln von Kunst ist immer nicht nur eine Geld-, sondern auch eine Gefühlsangelegenheit.

Solche standen daher auch am Anfang und am Ende der Ausführungen, mit denen der als “Vater der Antibabypille” weltberühmt gewordene Chemiker Carl Djerassi (84), heute, Donnerstag, in der Albertina zu seiner umfangreichen Schenkung an das Museum Stellung nahm.

“Meine Gefühle für Wien werden Zeit meines Lebens gemischt bleiben – obwohl sie immer besser werden”, sagte der am 29. Oktober 1923 in Wien in ein jüdisches Ärzte-Elternhaus Geborene, der 1938 mit seiner Mutter über London in die USA emigrierte. Seit 1945 ist Djerassi US-Staatsbürger, 2004 wurde ihm und seiner (vor wenigen Monaten gestorbenen) Gattin auch die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Damals hatte er auch mit der Skulptur “Four Lines Oblique II” des US-Künstlers George Rickey der Albertina eine erste Dauerleihgabe überlassen.

In der Folge habe sich der freundschaftliche Kontakt mit Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, von dessen profundem Wissen und seiner Fähigkeit, ohne Notizen fundiert und begeistert über Kunst sprechen zu können, er sich beeindruckt zeigte, intensiviert. Er habe sich gewundert, dass die Albertina mit 50 von insgesamt 9.000 Klee-Werken über einen relativ geringen Bestand verfüge. Daher sei der Entschluss gereift, nach dem San Francisco Museum of Modern Art, wo seit 1984 ein Teil seiner Paul-Klee-Sammlung als Dauerleihgabe und “Schenkung nach seinem Tod” aufbewahrt wird, auch die Albertina zu bedenken.

67 Werke seiner insgesamt rund 140 Arbeiten von Paul Klee umfassenden Sammlung wurden nun nach derselben Konstruktion der Albertina als “promised gift” überlassen. “Dass nicht alle gleich für immer hierbleiben, hat damit zu tun, dass ich immer ein paar der Bilder bei mir zu Hause haben möchte. Ich will nicht immer nach Wien reisen müssen, um sie zu sehen. Ich war bereits etwas traurig, als ich mir vorhin die Bilder in der Ausstellung angeschaut habe. Aber dennoch: Es ist ein gutes Gefühl!” – “Ich kann in Worten kaum zum Ausdruck bringen, wie sehr wir Dir für diese Schenkung danken”, antwortete Schröder.

Djerassi promovierte 1945 in Wisconsin in organischer Chemie, schuf 1951 als Forschungsdirektor der Syntex S.A. in Mexico City die Grundlagen der “Pille” und arbeitete auch entscheidend an der Synthetisierung von Cortison mit. Das mit der Antibabypille gesicherte Einkommen investierte er zum guten Teil in Kunst und baute eine umfangreiche Sammlung, u.a. mit Werken von Degas, Dubuffet, Giacometti, Marini, Moore, Picasso und eben Paul Klee auf.

“1978 war die größte Tragödie meines Lebens: der Selbstmord meiner Tochter”, erzählte Djerassi. “Selbstmord ist immer eine Botschaft an die Überlebenden, und ich habe mich entschlossen, etwas Lebendes aus diesem Tod zu machen.” Er gründete 1979 in den Bergen bei San Francisco eine Künstlerkolonie, die mittlerweile im Rahmen eines Residence-Programmes über 1.700 Künstler bereits besucht haben. “Um das zu finanzieren, habe ich mich entschlossen, den Großteil meiner Kunstsammlung zu verkaufen. Die Ausnahme war Paul Klee. Ihn habe ich auch weiter gesammelt, denn er hat sehr viel für mich bedeutet.”

Djerassi hat sich auch als Buch- und Theaterautor einen Namen gemacht. Sein jüngstes Buch “Vier Juden auf dem Parnass” widmet sich vier außergewöhnlichen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts – Walter Benjamin, Theodor W. Adorno, Gershom Scholem und Arnold Schönberg. Bei einer szenischen Lesung daraus gab der Autor gestern in der Albertina vor rund 200 Gästen selbst den Hauptprotagonisten Walter Benjamin. Gideon Singer und Johannes Terne lasen Gershom Scholem und Theodor W. Adorno. Klaus Albrecht Schröders Auftritt als Arnold Schönberg sei, so erzählte Djerassi, “einer gelungenen Erpressung des Hausherrn durch den Autor zu verdanken”.

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