Bush sagte am Mittwoch nach dem ersten bilateralen Treffen mit Schröder seit 16 Monaten am Rande der UNO-Vollversammlung in New York, der Streit sei vorbei. Schröder stimmte zu: „Wir haben die Differenzen hinter uns gelassen.“ Als zweiter Bundeskanzler nach Willy Brandt sprach Schröder am frühen Abend (MESZ) vor der UNO-Vollversammlung. Laut Redetext erhob er indirekt die Forderung nach einem ständigen Sitz für Deutschland im UNO-Sicherheitsrat.
Schröder hob nach dem rund 40-minütigen Gespräch mit Bush im New Yorker Hotel Waldorf Astoria hervor, dass Deutschland ein Interesse an einem stabilen und demokratischen Irak habe. Er habe deutsche Hilfe unter anderem bei der Ausbildung von irakischen Sicherheitskräften zugesagt. Der Kanzler räumte weiter bestehende Differenzen zwischen beiden Ländern über eine neue Irak-Resolution ein, die „offen angesprochen“ worden seien. Es gebe „sicher noch unterschiedliche Einschätzungen“ zur Übergabe der politischen Verantwortung an eine irakische Führung, sagte Schröder. Er zeigte sich aber mit Blick auf den umstrittenen Zeitplan für den Irak überzeugt, dass das „Zeitfenster zu schließen sein wird“.
Bush sagte vor Journalisten: „Das Erste, was ich ihm gesagt habe, war: ’Sehen Sie, wir hatten Meinungsverschiedenheiten, und die sind beendet.’ Wir werden zusammenarbeiten.“ Mit ihrer scharfen Ablehnung des Irak-Krieges hatte die Bundesregierung Washington deutlich verärgert. Schröder und Bush hatten monatelang überhaupt nicht miteinander gesprochen. In diesem Jahr waren sie sich bei internationalen Treffen begegnet, ohne dass es aber zu einem bilateralen Gespräch kam.
Außenminister Joschka Fischer, der mit seinem Amtskollegen Colin Powell an der Unterredung teilnahm, bezeichnete das Gespräch als „sehr substanzreich“ und „sehr offen“. „Das Gespräch war nicht durch Misstrauen gekennzeichnet, sondern durch Offenheit“ sagte der Grün-Politiker. „Es ist nichts Belastendes aus unserer Vergangenheit übrig geblieben“, betonte er.
Ein weiteres Thema der Unterredung war Afghanistan. Bush dankte den Deutschen für ihr Engagement. Laut Schröder sagte die US-Seite ihre Unterstützung für eine Ausweitung des ISAF-Mandats für das deutsche Wiederaufbauteam in Kunduz zu. Weitgehende Einigkeit gebe es auch im Atomstreit mit dem Iran sowie beim Nahost-Konflikt. Außerdem habe man über die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen für das weltweite Wirtschaftswachstum gesprochen, berichtete Schröder.
Am ersten Tag der UNO-Generaldebatte war die tiefe Spaltung der Weltgemeinschaft in der Irak-Frage erneut deutlich geworden. Während Bush den Krieg verteidigte, übte Chirac scharfe Kritik an dem Angriff und forderte eine stärkere Rolle für die Vereinten Nationen. Wie Frankreich will Deutschland die Rolle der UNO in Irak stärken und die politische Verantwortung möglichst rasch an die Iraker übergeben.
Schröder plädierte laut Redetext vor der UNO-Vollversammlung für eine Erweiterung des UNO-Sicherheitsrates: „Für Deutschland wiederhole ich, dass wir im Rahmen einer solchen Reform auch selbst bereit sind, mehr Verantwortung zu übernehmen.“ Schröder betonte erneut, nur die UNO könne die nötige „Legitimität garantieren“, um im Irak den raschen Wiederaufbau „unter einer eigenständigen, repräsentativen Regierung zu ermöglichen“. Deutschland werde humanitäre, technische und wirtschaftliche Hilfe beim Wiederaufbau leisten. Der deutsche Kanzler warnte vor Alleingängen einzelner Staaten in Krisen, ohne den Irak-Krieg zu erwähnen. Das Gewaltmonopol müsse weiterhin bei der UNO liegen, forderte er.
In New York deuteten sich indes Risse im „Antikriegslager“ aus Deutschland, Frankreich und Russland an. Beim Zeitplan für die Übertragung der Souveränität „können wir flexibel sein“, hieß es aus russischen Delegationskreisen. Nach Einschätzung von Beobachtern in Moskau versucht der Kreml, sich eine Zustimmung zum US-Entwurf für eine neue Irak-Resolution mit der Beteiligung an lukrativen Ölverträgen im Irak zu erkaufen. Am Mittwoch war noch ein Treffen Schröders mit den Präsidenten Frankreichs und Russlands, Jacques Chirac und Wladimir Putin, geplant.