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Bush: Bisher tiefste Krise

Frohe Ostern waren es für George W. Bush nicht. Auf eine „harte" Woche im Irak, wie er es selbst formulierte, folgte ein düsteres Wochenende mit zusätzlichen Problemen an der Heimatfront.

Die Vergangenheit holte den Präsidenten ein – in Form eines Memorandums aus dem August 2001, in dem Bush vor möglichen Anschlägen auf US-Boden gewarnt worden war. Auch dem Republikaner wohl gesonnene Kreise hatten Probleme, das auf Druck des Untersuchungsausschusses zum 11. September 2001 veröffentlichte Geheimpapier so zu interpretieren, wie es vor wenigen Tagen Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice vor dem Ermittlungsgremium getan hatte: Als hauptsächlich „geschichtliches” Papier ohne Bezug zu aktuellen Bedrohungen. Da half auch das sorgfältige Timing des Weißen Hauses wenig, das das dem Präsidenten nur fünf Wochen vor den Anschlägen vom 11. September vorgelegte brisante Memo am Abend des Ostersamstags freigab – in der Hoffnung, dass es angesichts des anbrechenden Feiertages weniger Beachtung finde. Im Gegenteil: Die meisten US-Medien widmeten dem Papier und damit der für den wahlkämpfenden Bush so heiklen Frage, ob Warnungen in den Wind geschlagen wurden, gleich mehrere Seiten. Und das neben der ebenso ausführlichen Berichterstattung über das Chaos im Irak. Nichts, aber auch gar nichts Gutes konnte Bush an diesem Osterwochenende über sich in den Medien finden. Das allgemeine Fazit von Kommentatoren: Bush befindet sich in der bisher wohl schwersten Krise seiner Amtszeit.

Auch Parteifreunde ließen Unmut über die Art und Weise durchblicken, wie der Präsident und seine Spitzenmitarbeiter mit den derzeitigen Herausforderungen umgehen. Schlossen sich die meisten zwar den Bekräftigungen von Bush und Rice an, die Hinweise auf möglich Terroranschläge seien für eine Reaktion zu vage gewesen, so wurden dem Präsidenten grobe taktische Fehler angelastet. Dazu gehöre, die anfängliche Weigerung, Rice öffentlich vor dem Ausschuss aussagen zu lassen, sagten gleich mehrere republikanische Kongressmitglieder. Das nämlich habe den Eindruck erweckt, das Weiße Haus habe etwas zu verbergen.

Für noch größere Verärgerung sorgte die Tatsache, dass sich Bush bereits am Donnerstag zum Osterurlaub auf seiner texanischen Ranch aufhielt, während Rice in Washington vernommen wurde und im Irak die Gewalt wütete. „In solchen Zeiten erwartet man doch, dass der Präsident sichtbar bleibt”, formulierte es ein republikanischer Parteistratege. Die „Washington Post” rechnete in diesem Zusammenhang prompt vor, dass sich Bush seit seinem Amtsantritt im Januar 2001 rund 500 Tage auf Wochenend- und Familiensitzen aufhielt – übrigens auch, als ihm das umstrittene Memo seinerzeit vorgelegt wurde.

Das „Wall Street Journal” lenkte zugleich den Blick darauf, dass sich für die nächsten Tage kaum ein Silberstreif am Horizont für den Präsidenten abzeichnet. So würden die andauernden Vernehmungen vor dem Terrorismus-Ausschuss die öffentliche Diskussion darüber wach halten, ob der Präsident über seiner Irak-Planung die El-Kaida- Bedrohung übersah. Zum anderen stecke er im Irak in einer Zwickmühle. Die Optionen, die er dort habe, seien alle „unattraktiv”, hieß es in dem Blatt. Versuche er die Aufständischen mit verstärkter Gewaltanwendung zu bekämpfen, bedeute dies mehr zivile Opfer und damit wachsende Ressentiments in der irakischen Bevölkerung. Weiche er der Konfrontation aus, werde das wiederum als Schwäche ausgelegt.

Auch der für Mittwoch anstehende Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon lädt angesichts der verfahrenen Situation im Nahen Osten nicht gerade dazu ein, im Weißen Haus die Sektkorken knallen zu lassen. Bleibt zumindest ein Trost für Bush. Sein demokratischer Herausforderer John Kerry kann die derzeitige Krisensituation politisch schlecht ausschlachten, da ihn sein eigener Zickzackkurs in Sachen Irak handicapt und er zum Beispiel nun kaum nach mehr US-Truppen rufen kann, nachdem er unlängst im Kongress gegen zusätzliche Gelder für den Irak gestimmt hat.

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