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Bush auf Staatsbesuch in London

Es ist eine Premiere und ein Zeichen inniger Verbundenheit zweier Regierungschefs, deren politisches Schicksal durch den Irakkrieg eng miteinander verknüpft ist.

Als erstem US-Präsidenten werden George W. Bush in der kommenden Woche alle Ehren eines Staatsbesuchs in Großbritannien zuteil. Seine 42 Vorgänger beschieden sich, wenn sie nach London reisten, mit offiziellen Besuchen ohne den ganz großen diplomatischen Pomp. Angesichts der Lage im Irak dürfte die Visite alles andere als vergnüglich werden; vielmehr gilt sie der Wartung des transatlantischen Koalitionsmotors und der Nachsorge des noch immer nicht ganz genesenen Verhältnisses zur EU.

Die Aufmerksamkeit, die Bush in der britischen Hauptstadt erfährt, misst sich auch an der rekordverdächtigen Zahl seiner Gegner: Die Antikriegskoalition, in deren Koordinatensystem die „Achse des Bösen“ nicht durch Bagdad, sondern durch das Oval Office des Weißen Hauses verläuft, hat Massendemonstrationen angekündigt. Das wiederum befeuert die britischen Sicherheitskräfte, die mit etwa 5000 Beamten für Ruhe während der dreitägigen Visite ab Dienstag sorgen sollen. Alles deutet auf einen Staatsbesuch der Superlative hin.

In Großbritannien wird der rote Teppich nur sehr selten ausgerollt – höchstens zweimal im Jahr. Zuletzt war der russische Präsident Wladimir Putin auf höchster diplomatischer Ebene Gast auf der Insel. In Großbritannien bedeutet dies immer auch königlichen Glanz, der auf die vom Volk gewählten Staats- und Regierungschefs aus aller Welt fällt. Während Putin mit Königin Elizabeth II. Kutsche fahren durfte, nächtigt das Ehepaar Bush sogar im Buckingham Palast. Auch diese Gunst erhebt Bush über die Mehrheit seiner Amtsvorgänger. Nur einmal ruhte bislang ein US-Präsident in Palastgemächern: Thomas Woodrow Wilson im Dezember 1918 als Gast von König George V.

Die 77-jährige Queen war seit ihrer Thronbesteigung 1952 schon dreimal höchst offiziell in den USA. 1957 reiste sie als Gast von Präsident Dwight D. Eisenhower über den Atlantik. 1976 feierte sie mit Gerald Ford das 200-jährige Jubiläum der amerikanischen Unabhängigkeit; die Familie Bush beehrte sie im Mai 1991 unter Präsident George Bush senior schon einmal.

Bei dem nun anstehenden Besuch ist es der Königin vorbehalten, den US-Präsidenten noch vor Premierminister Tony Blair zu empfangen. Blairs Part ist weitaus weniger glanzvoll, was an der tristen politische Agenda liegt. Aber der mediengewandte Regierungschef wird das Treffen öffentlichkeitswirksam zu nutzen wissen; gleiches erhofft sich auch Bush ein Jahr vor der Präsidentenwahl in den USA. Nach dessen klarer Ansage, dass die USA nicht aus dem Irak weichen werden, „bis der Job erledigt ist“, und den Treueschwüren aus London ist das politische Feld ohnehin im wesentlichen bestellt.

Daran wird auch die Kritik der Straße nichts ändern, falls sie überhaupt bis zu Bushs Ohren vordringt. Freimütig bekannte der US-Präsident in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit drei wichtigen britischen Presseorganen, dass er ihren Berichten über die angekündigten Proteste „keine große Aufmerksamkeit“ geschenkt habe. Anschließend sagte er noch das, was auch schon die Demonstranten in Berlin im Mai 2002 so ähnlich zu hören bekamen: „Ich bewundere ein Land, in dem Menschen willkommen sind, die ihre Meinung äußern“.

Die Angehörgigen der mehr als 50 im Irak getöteten britischen Soldaten will er auch beehren. Seine Botschaft ist ebenfalls bereits publik: „Ich werde ihnen sagen, dass ihre Liebsten nicht vergebens gestorben sind“, sagte Bush in dem Interview. Ziel der „Mission“ im Irak sei eine „freie und demokratische Gesellschaft“.

Nicht die Meinungsfreiheit, wohl aber die Versammmlungsfreiheit wird in den drei Tagen des Bush-Besuchs in Großbritannien erheblich eingeschränkt. Rund um die Regierungsgebäude, das Parlament und den Buckingham Palast sind Proteste und Versammlungen strikt untersagt. Die Angst vor einem Terroranschlag ist groß. Aber auch die Organisatoren aus den Reihen der „Stop-the-War-Coalition“ wollen den Medien etwas bieten: Auf dem belebten Trafalgar Square soll eine Bush-Statue vom Sockel gerissen werden – ganz so wie in Bagdad seinerzeit US-Soldaten telegen eine Statue Saddam Husseins stürzten.

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