Praktisch das gesamte Ensemble beteiligte sich an der von Karin Beier gestalteten Feier, die von ironischen Untertönen durchzogen war.
Jener nationale Gestus, der die Feierlichkeiten 1955 geprägt hatte, sollte einem europäischen Bewusstsein weichen, erläuterte Direktor Klaus Bachler in einer kurzen Ansprache. Der erste Teil des Abends orientierte sich am Programm vom 14. Oktober 1955: Die Doyenne des Hauses, Annemarie Düringer, sprach den Prolog zu Schillers Wallenstein, die Wiener Philharmoniker spielten unter der energischen Leitung von Simone Young Beethovens Die Weihe des Hauses.
Goethes Zueignung wurde von Doyen Michael Heltau gesprochen. Sven-Eric Bechtolf, Klaus Maria Brandauer und Roland Koch traten im Vorspiel auf dem Theater aus Goethes Faust die Nachfolge von Werner Krauß, Raoul Aslan und Hermann Thimig an. Spätestens hier war klar, dass man dem einstigen Pathos nur mit Ironisierung begegnen konnte.
Bachler hielt sich in seinen kurzen Anmerkungen nicht lange mit Programmatischem auf. Er habe das Burgtheater immer der Internationalität und der Offenheit verpflichtet gesehen. Die Frage sei, was man in 10, 20, 50 Jahren in diesem Hause feiern würde. So begründete er die Wahl des in Köln lebenden deutsch-iranischen Autor Navid Kermani als Festredner.
Kermani ging in seiner Rede auf die etwa von Stefan Zweig und Joseph Roth formulierten europäischen Traditionen ein, schilderte die Wichtigkeit der europäischen Werte, die keineswegs selbstverständlich seien, betonte aber deren Gefährdung durch die gegenwärtige Abschottung.
Im zweiten Teil collagierten nahezu hundert Schauspieler des Hauses unter dem Titel Kunstvaterland von einem großen Metallgerüst herab Stimmen zu Politik, Kultur und Theater in Österreich 1945 bis 1955.