Die Erinnerungen an die Kindheitslektüre kamen bei dem Apotheker aus Markt Allhau im Burgenland wieder hoch, als er im Rahmen eines Tauchurlaubs Socotra besuchte. Die medizinische Versorgung, das erkannte der heute 52-Jährige schnell, hat dort “den Ist-Zustand null”. Nun will Payer Abhilfe schaffen und auf Socotra eine Augenklinik aufbauen.
Erfahrung bei der Etablierung einer medizinischen Struktur in einer gesundheitspolitischen Ödnis hat Payer bereits in Albanien gesammelt. Dort etablierte er in Fier in den 90er Jahren ein Spital. Auch erste Versuche im Jemen verliefen bereits erfolgreich. “Ich habe mir gedacht, wenn du in so ein armes Land fährst, kannst Du nicht mit leeren Händen kommen. Da ist dann die Idee mit Medikamenten gekommen, sprich Augenmedikamenten”, erzählt der Apotheker von seinem ersten Besuch in dem arabischen Staat.
Das in den vergangenen Jahren angehäufte diplomatische Know-how war auch dabei hilfreich: “Aus Erfahrung weiß ich: Wenn man mit Medikamenten reist, dann muss das besser einen offiziellen Touch haben. Daher habe ich mich beim jemenitischen Botschafter gemeldet.” Schließlich war er Gast der Regierung. Das sei nicht “unhilfreich” gewesen, formuliert Payer, schließlich wurde er auf Socotra auch vom Gouverneur der Insel und dem Direktor eines bereits existierenden Spitals empfangen. Dieses verfügt aber nicht annähernd über eine brauchbare Infrastruktur und wird regelmäßig durch Monsun-Stürme verwüstet.
Payer: “Jemen ist eines der korruptesten Länder der Welt. Vier, fünf Familien teilen sich das Land auf. Die Insel Socotra ist den Politikern völlig wurscht.” Zwar werde außerhalb der Insel-Hauptstadt Hudaybu (Hadibu) ein Spital gebaut, das aber völlig überdimensioniert angelegt sei. “Das ist ein politischer Tranquilizer. Sollte das jemals fertig werden, haben sie nie das Personal dafür. Schon gar nicht auf der Insel, weil sie da nur fünf Ärzte haben. Nach dem, was ich gesehen habe, ist das eine Never-Ending-Story.”
Daher stand die Entscheidung bald fest: “Dort muss ich helfen.” Da dies auch noch schnell geschehen soll, schwebt dem umtriebigen Apotheker ein Container-Spital vor, das möglichst rasch errichtet werden kann. “Durch die politische Lage in der Krisenregion persischer Golf mit dem Kuwait-Krieg, dem Irak-Krieg und diversen anderen Gemetzeln gondeln dort jede Menge medizinischer Container herum. Jetzt bin ich auf verschiedenen Ebenen dabei, zu schauen, wie man diese akquirieren kann.”
Mit dem Roten Kreuz und dem Luftfahrtkonzern EADS nahm er Kontakt auf. “Stahlbau Unger” aus Oberwart könnte ebenfalls vermitteln, die britische Armee zudem über Logistik verfügen. “Die hat 200 Container dort stehen, die im Prinzip versanden. Transportieren würde die der österreichische Hongkong-Reeder Helmut Sohmen mit seinem China Shipping, der größten Reederei der Welt.” Die burgenländische Elektrizitätsgesellschaft BEWAG und der Gesundheitskonzern VAMED sind ebenso eingebunden wie die HTBL (Höhere technische Bundeslehranstalt) Pinkafeld: “Die planen und kalkulieren das im Rahmen eines Maturaprojekts, wegen der Ausführung müssen wir dann selbst schauen.”
Aufgrund der heftigen Monsune, die Socotra alljährlich ab März oder April heimsuchen, wird der Beginn des Unterfangens für kommenden Herbst anvisiert. Bereits am 13. Jänner aber soll ein österreichisches Ärzteteam mit einem “Patienten-Screening” die Bedürfnisse an Ort und Stelle erheben, um dann ab Oktober zur Tat schreiten zu können. Wie viele Patienten Anfang des Jahres zum ersten Check kommen werden, kann Payer nicht abschätzen: “In den vier Tage kann passieren, dass 100 oder 200 kommen. Oder 2.000 bis 3.000. Das ist eine große Unbekannte.”
Dazu kommt, dass viele Menschen auf Socotra Analphabeten sind. Daher wird es ein Leitsystem geben, um die Menschen ordnungsgemäß zu erfassen. “Man muss davon ausgehen, dass sie keinen Ausweis, keinen Pass haben. Sie bekommen dann ein Foto und eine Nummer in eine Folie hinein, so dass man sie wieder erkennen kann.”
Dass er mit seiner Entscheidung, sich auf eine Augenklinik zu spezialisieren, richtig liegt, daran hat Norbert Payer keinen Zweifel: “Sie haben dort viel Sand, viel Wind, viel Sonne. Das sind die Indikationen. Die Menschen dort sind alle auf den Augen hin. Da trägt ja keiner eine Sonnenbrille, weil sie so etwas nicht kennen.” Derweil ist er aber noch auf der Suche nach Sponsoren: “Wie viel es kosten wird, kann ich nicht sagen. Ich gehe von Null aus. Am Spendenkonto liegen derzeit 120 Euro.”
Payer ist übrigens nicht der erste Österreicher, der auf Socotra aktiv wird. 1857 hegte Admiral Wilhelm von Tegethoff Pläne das Eiland für die k.k.-Monarchie zu erwerben, um hier eine Gefängnisinsel zu errichten. Eine Art “österreichisches Guantanamo” also. Kriminalität ist in der Region indes auch heute kein Fremdwort. Über Piraten, die im Golf von Aden ihr Unwesen treiben, macht sich der Apotheker indes keine großen Sorgen. “An Socotra sind sie nicht interessiert, dafür ist die Insel zu arm.”