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Bundesbuchhaltungsaffäre: Anklage ortet 16,9 Mio. Euro Schaden

In der Bundesbuchhaltungsaffäre hat nun die Korruptionsstaatsanwaltschaft (KStA) beim Wiener Straflandesgericht eine umfangreiche, 136 Seiten dicke Anklageschrift eingebracht. Darin wird einem für das Arbeitsmarktservice (AMS) zuständigen Ex-Bereichsleiter der Buchhaltungsagentur des Bundes (BHAG) vorgeworfen, seine Befugnisse missbraucht zu haben, indem er in sagenhaftem Ausmaß “titellos und unberechtigt […] Überweisungen von Geldern der Republik Österreich tätigte”, wie es in der seit heute, Freitag, der APA vorliegenden Anklage heißt.

Buchhaltungsaffäre mit 16,9 Mio. Euro

Konkret soll der 46-jährige Wolfgang W., dem Missbrauchder Amtsgewalt und gewerbsmäßiger schwerer Betrug zur Last gelegt wird, im Jahr 2005 sowie zwischen dem 4. Jänner und dem 1. September 2008 die unglaubliche Summe von insgesamt 16,9 Millionen Euro überwiesen und somit verschleudert haben, wobei 4,8 Millionen Euro beim Wiener Bildungsinstitut “Venetia” bzw. einem Treuhänder des Instituts landeten, das EDV-, Buchhaltungs- und Sprachkurse für Erwachsene anbot. Das Auftragsvolumen des Instituts speiste sich zu 92 Prozent aus Kursen für das AMS Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Laut Anklage hatte der “Venetia”-Chef Kurt D. (56) mit Wolfgang W. ausgerechnet einen Spitzenbeamten seines größten Auftraggebers “zum Ausstellen von inhaltlich gänzlich unberechtigten und somit falschen, zeitlich befristeten Forderungsbestätigungen, also Schuldverschreibungen der Republik Österreich überredet”. Die finanziellen Mittel von Kurt D. waren seit Jahren erschöpft. Bei zahlreichen Privatpersonen hatte er hohe Schulden angehäuft, sein Bildungsinstitut mit laufenden Privatentnahmen in die Zahlungsunfähigkeit geführt.

Auf der anderen Seite träumte er davon, sich mit der Veräußerung von Goldminen in Ecuador, an denen er angeblich in Millionenhöhe beteiligt war, eine “goldene Nase” zu verdienen und damit seine finanziell prekäre Lage mit einem Schlag beseitigen zu können. Bis dahin fand er mit den falschen Schuldverschreibungen Investoren, die ihm über Vermittlung eines Wiener Rechtsanwalts und eines niederösterreichischen Geschäftsmanns die Forderungsbestätigungen abkauften und zu Bargeld machten.

Falsche Schuldverschreibungen

Kurt D. wurde wegen Bestimmung zum Amtsmissbrauch und schweren gewerbsmäßigen Betrugs zur Anklage gebracht. Mitangeklagt wurden auch die beiden Vermittler der falschen Schuldverschreibungen sowie ein 63 Jahre alter deutscher Pensionist, der dem “Venetia”-Boss fälschlicherweise vorgemacht haben soll, im Besitz der ecuadorianischen Minen zu sein. Kurt D. überwies dem Mann ein Vermögen – in der Anklage ist zumindest von 500.000 Euro die Rede -, um die behauptete Verkaufsabwicklung der Goldminen durch Bestechung südamerikanischer Behördenvertreter zu beschleunigen.

Tatsächlich bestritt der vermeintliche Minenbesitzer mit dem ihm aus Wien zugegangenen Geldern seinen Lebensunterhalt und legte sich laut Anklage mehrere Pkw der Marke Mercedes zu.

Der Anklage zufolge dürfte der “Venetia”-Chef den BHAG-Beamten recht raffiniert geködert haben, indem er diesen nach dem Kennenlernen in die “Wiener Gesellschaft” einführte. Im Rahmen eines Empfangs im Hotel Marriott wurden die beiden 2005 miteinander “per Du”. Als Kurt D. über finanzielle Engpässe klagte, sprang sein neuer Freund, mit dem er auch einen Urlaub in Italien verbrachte, “titellos mit Geldern der Republik ein”, wie in der Anklageschrift konstatiert wird.

2008, als Kurt D. verzweifelt ums finanzielle Überleben kämpfte, stellte ihm Wolfgang W. “völlig planlos Forderungsbestätigungen in Millionenhöhe aus, wobei er wusste, dass es sich um reinen Betrug gegenüber den Investoren handelte”. Als die vermeintlichen Investoren endlich ihr Geld sehen wollten, überwies Wolfgang W. gemäß der Anklage ab 4. Jänner 2008 in 20 Tranchen knapp 16,5 Millionen Euro zulasten der Republik Österreich an das Institut “Venetia”, das von ihm ihm Jahr 2005 “zur Überbrückung” bereits 450.000 Euro erhalten hatte, und an diverse Gläubiger des Institut-Chefs.

Transaktionen in Millionenhöhe

Dass bis zum Aufdecken der Malversationen im Jänner 2009 ein derart hoher Schaden entstehen konnte, führt die Anklagebehörde auf mehrere Umstände zurück: Der Gebrauch zweier TAN-Codes genügte unbegreiflicherweise für die amtsmissbräuchliche Durchführung von Transaktionen in Millionenhöhe, wobei das Vorschieben diverser Überbrückungskonten die Überweisungen zusätzlich verschleierte. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft bemängelt weiters eine “fehlende Dienst- und Fachaufsicht”, “unterlassene Prüfungen durch die Interne Revision der Buchhaltungsagentur des Bundes (BHAG)” sowie eine “fehlende Kommunikation zwischen AMS und BHAG. Es erfolgte keine Verständigung über verfügte Zahlsperren betreffend ‘Venetia’ bzw. deren bereits eingestellter Betriebsführung wegen Zahlungsunfähigkeit”.

Der Frage, weshalb sich der Spitzenbeamte in die sagenhaften betrügerischen Machenschaften verstricken ließ, widmet die Anklageschrift einen eigenen Absatz: “Zur Motivlage kann nur insoweit spekuliert bzw. seinen (Wolfgang W.’s, Anm.) Angaben gefolgt werden, als anzunehmen ist, dass er nach kurz anfänglicher Gutgläubigkeit bzw. dem Wunsch, ‘wichtig’ zu sein und gegenüber dem gesellschaftlich etablierten D. gönnerhaft zu erscheinen, in eine Abwärtsspirale geriet, die nur noch mehr zu krimineller Aktivität führte, um möglichst lange unentdeckt zu bleiben.” (APA)

 

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