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Bühnenreifer Betrugsprozess in Wien: Mann beschuldigt "imaginären" Zwilling

"Ich war es nicht - sondern mein Zwillingsbruder", so der Wiener beim Prozess
"Ich war es nicht - sondern mein Zwillingsbruder", so der Wiener beim Prozess ©APA (Sujet)
Wahrhaft bühnenreif war eine Verhandlung, die am Mittwoch im Wiener Straflandesgericht stattgefunden hat. Ein 47-Jähriger musste sich wegen schweren Betrugs verantworten, weil er zwei Frauen insgesamt 9.000 Euro herausgelockt haben soll, um das Begräbnis seiner Mutter bezahlen zu können. Er leugnete dies - und schob alle Schuld auf einen "Zwillingsbruder".

Der Angeklagte schob die Schuld auf seinen Zwillingsbruder – der allerdings nicht existiert. “Ich war es nicht. Aber das Verbrechen, das durch meine Familie passiert ist, tut mir furchtbar leid”, gab der Mann zu Protokoll, nachdem er sich langsam und vorgeblich vor Schmerzen stöhnend – seiner Aussage zufolge leidet er an einer chronischen Rückenmarksentzündung – in den Gerichtssaal geschleppt hatte. Nicht er, sondern sein Bruder habe im Frühjahr 2015 die beiden Frauen ausgenommen.

Zwillingsbruder angeblich im Spital “hergeschenkt”

Als Richter Harald Craigher dem Mann vorhielt, dass weder im Geburtenbuch am betreffenden Standesamt noch im Ehebuch der Eltern ein zweiter Sohn vermerkt sei, erwiderte der Angeklagte: “Die Mama hat nur mich angegeben. Das zweite Kind hat sie gleich im Spital weitergegeben.” Ausschlaggebend dafür wären finanzielle Gründe gewesen. Sie habe es sich nicht leisten können, auch noch seinen Bruder aufzuziehen. “Die Mutter hat also ihr Kind hergeschenkt?”, hakte der Richter nach. “Mhm”, machte der Angeklagte.

Jahrelang habe er keinen Kontakt zu seinem Bruder gehabt. Nach der Beerdigung der Mutter im April 2015 sei dieser plötzlich auf der Bildfläche erschienen und habe ihm Geld für das Begräbnis gegeben. Der Bruder – ein mit allen Wassern gewaschener Mann (“Er hat zwei Pässe und zwei, drei Identitäten. Er arbeitet als V-Mann”) – müsse es den zwei geschädigten Damen abgeknöpft haben. Aufgrund der Ähnlichkeit hielten diese nun versehentlich ihn für den Täter, zumal sein Bruder im August wieder untergetaucht sei und sich nach Griechenland abgesetzt habe: “Er ist auf der Kärntner Straße von einem Russen erkannt worden. Da ist er weg. Er hat ja mich als Schutzschild.”

Angeklagter schiebt Betrügereien auf Bruder

Der Irrtum der Frauen sei evident. “Vom Gesicht” schaue ihm sein Zwillingsbruder natürlich ähnlich. “Aber er ist austrainiert. Er ist ein sehr kräftiger Mann mit starken Armen. Er hat eine Jagdkommando-Ausbildung. Er ist ein ganz schöner Apparat”, gab der Angeklagte zu Protokoll. Er dagegen sei infolge seines körperlichen Gebrechens Invaliditätspensionist, könne nicht einmal mehr aufrecht gehen und werde demnächst im Rollstuhl sitzen.

Die 50 bzw. 52 Jahre alten Frauen erkannten im Zeugenstand im Angeklagten allerdings eindeutig und ohne Zweifel den Täter wieder. Die Jüngere hatte ihn kennengelernt, weil er auf ein Inserat reagierte, mit dem sie nach einem Tanzpartner suchte. Die Ältere dürfte er nach dem Zufallsprinzip angerufen haben – sie traf sich mit ihm, nachdem das Telefongespräch so angenehm verlaufen war.

Betrugsopfer bei Prozess: “Mir ist nichts aufgefallen”

Beiden hatte der Mann eine tränenreiche Geschichte erzählt. Nacheinander wären sein Vater, seine Frau und am Ende auch noch seine Mutter verstorben, das dritte Begräbnis übersteige seine finanziellen Reserven. Die Frauen ließen sich erweichen und halfen mit Darlehen von 8.000 bzw. 1.000 Euro aus. Danach hörten sie von dem 47-Jährigen nichts mehr.

“Er hat einen sehr seriösen Mann gespielt. Er ist auch ganz normal gegangen. Mir ist nichts aufgefallen”, verriet die 50-Jährige dem Gericht. Man sei zu zweit “viel herumgegangen in der Innenstadt. Intim war aber nichts”, betonte die Zeugin. Die 52-Jährige legte ein Foto vor, das sie bei einem gemeinsamen Lokalbesuch mit ihrem Handy gemacht hatte. Darauf war kein Kraftlackl, sondern ganz offensichtlich der Angeklagte zu sehen.

Richter über “Aufführung”: “So was Freches hab’ ich selten erlebt”

“Es ist Zeit, dass diese Scharade ein Ende nimmt”, meinte daher Staatsanwalt Leopold Bien am Ende der Verhandlung. Die Verantwortung des Angeklagten bezeichnete Bien als “Aufführung”, bemerkte aber auch: “So was Freches hab’ ich selten erlebt.” Selbst nach dem staatsanwaltschaftlichen Schlussplädoyer hielt der 47-Jährige beharrlich am Zwillingsbruder fest: “Ich verstehe, dass diese Geschichte kurios ist. Eine Ungeheuerlichkeit, was da passiert ist. Das Problem ist nur, ich war das nicht. Man hätte merken müssen, dass ich das nicht bin.” Da ein Familienmitglied einen Schaden angerichtet habe, werde er aber den beiden Frauen in Raten ihr Geld selbstverständlich zurückbezahlen. “Ihm kann nichts passieren. Aber Sie haben ja mich heute”, meinte er zum Richter.

“Wenn Ihr Bruder auftaucht, rufen Sie die Polizei und machen’S a Foto”

“Ich glaube Ihnen Ihre Geschichte nicht”, verurteilte dieser den 47-Jährigen zu sechs Monaten bedingt und zur Schadensgutmachung. “Und wenn Ihr Bruder auftaucht, rufen Sie die Polizei und machen’S a Foto. Dann können Sie ja eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen”, fügte er hinzu. Damit war der 47-Jährige einverstanden. Er verzichtete auf Rechtsmittel.

(apa/red)

 

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