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Budgetdebatte mit rot-schwarzen Sticheleien

Bemerkenswerter Schlagabtausch SPÖ-ÖVP
Bemerkenswerter Schlagabtausch SPÖ-ÖVP ©APA
Mit Sticheleien zwischen SPÖ und ÖVP hat am Donnerstag im Nationalrat die erste Debattenrunde über das Budget 2017 begonnen. Auch Bundeskanzler Kern antwortete polemisch.
Schelling präsentiert Budget
Schelling will Aufgabenorientierung

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Während SPÖ-Klubchef Andreas Schieder sich gegen das generelle Verdammen von Ausgaben wandte, redete sein ÖVP-Gegenüber Reinhold Lopatka einem strengen Sparkurs das Wort. Die Opposition reagierte mit Kopfschütteln auf die öffentlich ausgetragenen Differenzen.

Schieder kritisierte, dass bei Budgetdebatten allzu eindimensional eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung geführt werde. Man müsse aber fakten- und wachstumsorientiert diskutieren und dabei die Menschen und ihre soziale Sicherheit im Fokus haben. Der SP-Klubchef bemühte Shakespeare und meinte bezüglich gestiegener Pensionsausgaben, dass eine Behauptung kein Beweis sei.

Auch gegen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) und dessen Aussage in der gestrigen Budgetrede, dass ein “New Deal” nicht mit dem “alten Kuhhandel” betrieben werden dürfe, stichelte Schieder: “Woher hat er dieses Zitat? ‘Der Bauer als Millionär’?” Sparsamkeit sei jedenfalls auch für die SPÖ ein Ziel, “das wir nicht nur teilen, sondern ganz massiv selbst auch verfolgen”.

Lopatka zieht Vergleiche mit Schäuble

Voll des Lobes für Schelling war hingegen Lopatka. Der Finanzminister sei der richtige Mann am richtigen Ort, “er kann zum Austro-Schäuble werden”. Zum Erreichen von Österreichs budgetären Zielen sei Wirtschaftswachstum notwendig, und dafür müsse das wirtschaftspolitische Klima stimmen. Dabei schade “jedes Gerede über neue Steuern”.

Erneut kritisierte er ÖBB-Frühpensionisten und den Widerstand der SPÖ bei Einsparungen bei der Mindestsicherung. “Wenn wir nicht rechtzeitig für Reformen sorgen, werden wir am Ende des Tages Einschnitte machen müssen, die tatsächlich wehtun.” Mit seinen Präferenzen hielt er nicht hinter dem Berg: “Ich habe eine schwarze Null lieber als rote Zahlen.” Die gesamte Bundesregierung sollte Schelling dabei unterstützen.

Bei der Opposition sorgte dies für Kopfschütteln. Statt Umsetzung herrsche Stillstand, so FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Realität und gesprochene Worte klafften weit auseinander. Einschnitte verlangte er in seiner eher zurückhaltend angelegten Rede in Sachen Ausländer. Bei Asylkosten und Sozialleistungen für Fremde müsse man Stopp sagen. “Österreich ist weder das Arbeitsmarktservice noch das Sozialamt für Migranten aus aller Herren Ländern”, meinte er.

NEOS ortetet negatives Torverhältnis

“Offene Feindseligkeit” zwischen Rot und Schwarz konstatierte Grünen-Klubchefin Eva Glawischnig. Sie habe den Eindruck, dass hier ein Budget gegeneinander vorgelegt werde. “Das ist sehr bedauerlich, weil nicht im Interesse der Österreicher ist.” Im Übrigen sei das Budget ein extrem konservatives, tatsächliche Herausforderungen in Sachen Bildung, Forschung, Arbeitsplätze, Investitionen und Klimaschutz würden nicht angesprochen. “Wir würden das anders anbieten.”

Einen Zähler Regierung gegen Steuerzahler stellte NEOS-Chef Matthias Strolz auf, die Bevölkerung stieg im Endeffekt 0:5 aus. Versäumnisse ortete er beim Finanzausgleich, der Abschaffung der “kalten Progression”, bei der Bildung, dem Bürokratieabbau und der Pensionsreform. Dies sei “zutiefst verantwortungslos”.

Robert Lugar vom Team Stronach fühlte sich in eine Zeitschleife versetzt. Im Vorjahr habe er Schelling für seine Befunde in dessen erster Budgetrede Beifall geklatscht, gestern habe der Minister dies alles aber einfach wiederholt. “Es hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert”, kritisierte er.

Kern sieht nur Pflicht erfüllt

Einen Tag nach der angriffigen Budgetrede von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) Richtung Koalitionspartner antwortete Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Donnerstag im Nationalrat ausführlich und ähnlich polemisch.

Zumindest in einem war sich die Regierung bei der sogenannten “Ersten Lesung” einig, nämlich dass der Budgetentwurf nicht gerade herausragend ist: “Das Budget ist bestenfalls eine Pflicht, aber die Kür hat noch zu kommen”, befand Kern. “Wir haben noch nicht einmal die Pflicht abgeschlossen”, replizierte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wenig später und forderte Reformen bei Pensionen und am Arbeitsmarkt ein.

Angesichts der Dissonanzen in der Koalition war es wohl kein Zufall, dass Kern schon an den Beginn seiner Rede die Feststellung setzte: “Das ist ein Budget, das die Regierung gemeinsam erarbeitet hat.” Wenig später meinte er dann, dass das Budget solide, ein solides Budget aber nicht genug sei. Der nächste Finanzrahmen im Frühling sei dann der Test, “ob wir reformfähig und reformwillig sind”.

“A little less conversation, a little more action”

Schelling hielt der Kanzler indirekt vor, mehr zu reden als zu handeln: “A little less conversation, a little more action”, nahm Kern eine Anleihe bei Elvis Presley. Reformrhetorik sei ja da, “aber Reformen im Schlafwagentempo werden uns nicht weiterbringen”. Nämliche Idee hat übrigens Mitterlehner für die SPÖ in Sachen Pensionen und Arbeitsmarkt: Man sollte jetzt einmal von der Rhetorik in die Aktion kommen.

Ziel des Kanzlers ist es, die Konsolidierung voranzutreiben, aber auch die Wirtschaft zu beleben, klare Akzente zu setzen und öffentliche Investitionen voranzutreiben. Die wichtigste Aufgabe einer Regierung sei es Beschäftigung zu schaffen: “Wer das nicht macht, betreibt eine Politik der Zukunftsvergessenheit.”

Sichtlich selbst angegriffen fühlte sich der frühere ÖBB-Chef angesichts von Schellings Äußerungen, wonach mit dem Infrastrukturmilliarden zu viele Mittel langfristig gebunden würden. Kern erinnerte daran, dass ja wohl die ganze Regierung den Rahmenplan beschlossen habe und die Bundesbahnen die Projekte am wenigsten nötig hätten. Mut, den Schelling am Vortag eingefordert hatte, würde es bei ihm selbst brauchen, beispielsweise nach Tirol zu fahren und dem dortigen Landeshauptmann zu sagen, dass man den Brenner-Tunnel nicht benötige.

Debatte um Budget für Landwirtschaft

Durchaus breiten Raum in der Budgetrede hatten auch die Mittel für die Landwirtschaft eingenommen, die der Finanzminister verteidigte. Gegen die Dotierung hatte auch Kern nichts einzuwenden, doch meint er, dass man die Mittelverteilung zugunsten der kleineren Bauern ändern könnte – ganz in der Tradition Bruno Kreiskys.

Nicht weniger als 22 Minuten und damit ungewöhnlich lange nahm sich der Kanzler Zeit für seine Replik auf die Budgetrede. Zum Abschluss gab es für die Länge des Vortrags eine Art Entschuldigung: “Wir haben einen Diskurs geführt, der eine deutliche Antwort fordert.”

Mitterlehner wirkte baff

Etwas baff ob der Schärfe des Kanzler-Vortrags wirkte direkt im Anschluss der Vizekanzler: “Ich tu mir beinahe schwer das zu bewerten. Bei allem Respekt, Herr Bundeskanzler, das war keine Darstellung, was das Budget anlangt, sondern eine Standpauke. Für wen? Ok, für uns, wir nehmen das mit.”

Für Lächler sorgte der Vizekanzler im Anschluss mit der Feststellung: “Dass es ideologische Unterschiede gibt, haben sie mittlerweile bemerkt.”

Eigentlich hätte Mitterlehner ja gerne mehr den Fokus darauf gerichtet, was der Regierung gelungen ist – etwa dass man nach sieben Jahren Wirtschaftskrise wieder ein strukturelles Nulldefizit erreicht habe, in den internationalen Rankings nach vorne wandere und sich auch der Bereich Forschung und Entwicklung sehr positiv entwickle.

Auch bei den großen Strukturmaßnahmen sei man, glaube er zumindest, auf einem guten Weg. Das rechnet der VP-Chef wohl seiner Partei zu. Denn wenn die SPÖ eine Maschinensteuer fordere, brauche sich die ÖVP keine Sorgen machen, wer als Wirtschaftspartei wahrgenommen werde.

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