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Brüssel: Türkei-Gipfel mit offenem Ergebnis

"Ergebnisoffen" ist dieser Tage ein häufig gebrauchtes Wort in Brüssel, vor allem von den Kritikern eines EU-Beitritts der Türkei. Zypern wird immer mehr zum Streitpunkt.

Offen ist derzeit vor allem das Ergebnis des Gipfels in Brüssel am kommenden Donnerstag und Freitag, bei dem die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union eine Entscheidung über Beitrittsverhandlungen mit Ankara treffen wollen. Dass die Türkei grünes Licht für Verhandlungen erhält, wird allgemein erwartet. Dem niederländischen EU-Vorsitz ist es aber bisher nicht gelungen, Einvernehmen in so zentralen Fragen wie dem Verhandlungsziel und dem Datum für den Start der Gespräche zu erzielen.

Diese Fragen können wohl erst bei einem Abendessen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und bei der darauf folgenden Gipfelsitzung am Freitag gelöst werden. Nach dem Fahrplan sollte dies nicht all zu viel Zeit in Anspruch nehmen, zu Mittag soll der Gipfel bereits beendet sein. Am Montag beraten die Außenminister noch einmal eingehend über die Bedingungen für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die erwähnten „Knackpunkte“ werden sie aber erwartungsgemäß den „Chefs“ überlassen.

In dem aktuellen Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen ist noch kein Datum für den Beginn von Verhandlungen enthalten. Der Text weist lediglich darauf hin, dass die Beitrittsgespräche frühestens 2014 abgeschlossen werden können, sobald in der EU Einigkeit über die übernächste Finanzperiode besteht. Die Türkei hofft darauf, bereits ab 2005 mit der EU über einen Beitritt zu verhandeln. Ankara wird darin etwa unterstützt von Deutschland, Großbritannien, Italien, Belgien, Tschechien sowie von der EU-Kommission. Paris will den Verhandlungsbeginn dagegen hinauszögern, da die Franzosen möglicherweise im Herbst 2005 über die EU-Verfassung abstimmen.

Bei ihrem Abendessen werden die EU-Chefs vor allem über relativierende „Optionen“ für Alternativen zu einem Vollbeitritt sprechen. Dass die von den französischen und deutschen Konservativen geforderte „privilegierte Partnerschaft“ in den Text aufgenommen wird, gilt nach Einschätzung von EU-Diplomaten als unwahrscheinlich. „Das ist ein Tabuwort“, sagte ein Diplomat. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) will vor dem Gipfel seine christdemokratischen Parteifreunde von einer Kompromissformel überzeugen, die nicht näher definierte „andere Optionen“ ins Auge fasst, wenn ein Beitritt der Türkei nicht erreichbar ist.

Die EU-Botschafter haben sich bisher auf weit reichende Ausnahmeregelungen und permanente Schutzklauseln verständigt, die im Ernstfall bei der Personenfreizügigkeit, der Struktur- und der Agrarpolitik gegen die Türkei zur Anwendung gebracht werden könnten. Für Österreich sei dies eine „conditio sine qua non“, heißt es in EU-Kreisen. Auch Frankreich, die Slowakei, Ungarn und Dänemark fordern derartige „Einschränkungen“, während sie von Großbritannien, Schweden, Spanien, Deutschland, Italien und Finnland abgelehnt werden. In einer vorangestellten allgemeinen Passage wird auch auf die Bedeutung der Fähigkeit der Union verwiesen, neue Mitglieder aufzunehmen.

Einer der heikelsten Punkte in den Gipfelverhandlungen dürfte aber Zypern werden, das von der Türkei diplomatische Anerkennung verlangt. Die geteilte Mittelmeerinsel ist im Mai der EU beigetreten. Die Türkei anerkennt bisher nur die international isolierte „Türkische Republik Nordzypern“, auf der noch immer rund 30.000 türkische Soldaten stationiert sind. Der Entwurf der Schlussfolgerungen sieht vor, dass Ankara Zypern indirekt über die Ausweitung der Zollunion mit der EU anerkennt. Die (griechische) Republik Zypern will aber eine offizielle Anerkennung zur Vorbedingung für Verhandlungen machen. Wie ernst es die Regierung in Nikosia mit ihrer Forderung meint, zeigt die Tatsache, dass Zypern bisher alle geplanten Finanzhilfen und Handelserleichterungen der EU für den türkischen Nordteil der Insel blockiert hat.

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