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Brüssel: Bushs Liebeserklärung an Europa

Bushs Europareise begann in Brüssel: Und es war fast eine Liebeserklärung, die George W. Bush am Montag den Europäern machte: "Keine Macht der Welt kann uns trennen", sagte im Hinblick auf vergangene Streitigkeiten.

Denn auch in Washington ist die Einsicht gewachsen, dass in der Weltpolitik ohne Europa vieles schwieriger ist und mit Europa fast alles leichter. Allerdings blieben auch nach dem ersten Auftritt von Bush in Europa seit seiner Wiederwahl Fragen für das transatlantische Verhältnis offen, die ungeachtet aller Freundschaftsbekundungen noch für reichlich Streit sorgen können.

Bush bot in seiner Grundsatzrede den Europäern in einer ganzen Reihe von Fragen die Zusammenarbeit an – wohlwissend, dass der dicht gedrängte Zeitplan für zwei Tage Brüssel mit EU, NATO, belgischer Regierung und dem Besuch bei König Albert II kaum Zeit lassen würde, darüber ernsthaft in die Debatte einzusteigen. Bei der NATO ist ungeachtet der Mahnungen des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) und Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer dafür bislang ohnehin kaum Platz. Und bei dem für Dienstagnachmittag geplanten Treffen mit den EU-Staats- und Regierungschefs werden allein schon wegen des dichten Programms nur wenig strittige Themen auf den Gipfeltisch kommen. Die europäische Integration, die Entwicklung im Nahen Osten oder die Terrorbekämpfung können die Europäer in Vier-Minuten-Ansprachen allenfalls anreißen.

Auch über den Irak wollen die Europäer sprechen, schließlich sind die Streitigkeiten inzwischen praktisch beigelegt. Zähneknirschend akzeptieren die USA, dass Länder wie Deutschland auch nach den irakischen Wahlen keine Soldaten ins Land schicken wollen. Dafür unterstützt Berlin als NATO-Mitglied tatkräftig die Ausbildung irakischer Soldaten außerhalb des Landes. In der EU gaben die Kriegsgegner grünes Licht für ein sichtbares Engagement bei der Ausbildung von irakischen Staatsanwälten und Richtern. Auch diese Ausbildung findet zwar außerhalb des Landes statt, aber in Bagdad wird künftig die EU-Flagge über einem wenn auch kleinem Büro für die Koordinierung der Ausbildung wehen.

Zum Testfall für die neu ausgerufene atlantische Freundschaft werden andere Fragen werden, die beim Brüssel-Gipfel am Dienstag nicht auf der Tagesordnung stehen: Zum Beispiel die Aufhebung des von der EU 1989 verhängten Waffenembargos gegen die Volksrepublik China, für die sich unter anderem Deutschland und Frankreich stark machen, aber die aus US-Sicht das „militärische Gleichgewicht in der Region“ beschädigen würde. Oder das Kyoto-Protokoll, dessen Inkrafttreten die EU erst vergangene Woche stolz verkündete und dem sich die USA entziehen. Ein Dauerbrenner auf der Liste der transatlantischen Streitpunkte ist bislang auch der Internationale Strafgerichtshof geblieben, der von Washington bei Verhandlungen mit Drittstaaten aktiv unterminiert wird.

Hoffnungen machen sich die Europäer darauf, dass Washington ihre Bemühungen um eine diplomatische Lösung im Konflikt um das iranische Atomprogramm aktiv unterstützt. Verbale Rückendeckung dafür brachte Bush nach Brüssel ebenso mit wie für die Bemühungen der EU um Frieden im Nahen Osten, wo sich endlich Entspannung anbahnt. Aus Brüsseler Sicht sind das Gelegenheiten, bei denen die Bush-Regierung unter Beweis stellen kann, dass sie mit den Europäern an einem Strang ziehen will. In Brüssel sprach Bush von den USA und Europa als „wichtigsten Säulen“ für die Sicherheit in der Welt. Dass Bush für seine weltpolitischen Ambitionen beide Säulen braucht, räumte er inzwischen sogar schon in Zeitungsinterviews ein: „Allein können wir das nicht schaffen.“

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