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Bürs: Schüler kämpfen um Samir

Bürs (VN) -  Langes Warten auf Asyl. Mit Unterschriften­aktion soll Erledigung beschleunigt werden.
Bürs: Schüler legen sich für Samir ins Zeug

Sie stehen nicht nur für das Foto wie eine Mauer hinter Samir. Auch aktiv setzen sich die Schüler der UNESCO-Mittelschule Bürs für ihren tschetschenisch-stämmigen Kameraden ein, dessen Familie seit bald acht Jahren auf die Erledigung ihres Asylansuchens wartet. Denn mit jedem Tag, der verstreicht, wird die Unsicherheit bei Samir größer. Klassenvorstand Hannes Lisch hat deshalb kurz vor Ferienbeginn eine Unterschriftenaktion gestartet. Fast 200 Schüler und Lehrer tragen sie. Dazu kommen noch von den Schülern selbst verfasste Unterstützungserklärungen. Beides wird Hannes Lisch demnächst an den Asylgerichtshof in Wien schicken. „Wir möchten ein Signal setzen, damit in dieser Sache endlich etwas weitergeht“, begründet der Pädagoge sein Engagement.

Gefahr hautnah erlebt

Samir Yakubov ist ein netter und höflicher Bub. Nur das Lachen fällt dem 15-Jährigen sichtlich schwer. Dafür ist schon zu viel geschehen in seinem jungen Leben. Weil der Vater im Tschetschenen-Krieg auf der Seite der Freischärler kämpfte, musste die Familie ihre Heimat verlassen. Es war zu gefährlich geworden. Im Jänner 2004 kam sie nach Österreich und suchte hier um Asyl an. Seitdem heißt es warten, immer wieder nach Wien fahren, sich immer wieder rechtfertigen dafür, warum eine Rückkehr nach Tschetschenien keine Option mehr darstellt. Samir hat die Gefahr hautnah erlebt. Vor zwei Jahren fuhr er mit seiner Mutter nach Hause. Kurz nach der Ankunft im Heimatdorf gab es die erste Bombenexplosion und in der Nacht stürmten regierungstreue Milizen das Haus, weil sie den Vater von Samir ebenfalls dort vermuteten. Bei diesem Überfall kam eine Verwandte ums Leben. Der Junge erzählt die Geschichte mit leiser Stimme. Dann meint Samir noch: „Würde mein Vater zurückkehren, würden sie ihn bestimmt töten.“

Totale Überforderung

Aber auch in Österreich kam er nicht zu Ruhe. Nach der Flucht musste Samir innerhalb von drei Jahren den Tod von zwei Geschwistern verkraften. „Diese sehr tragischen Vorfälle haben die gesamte Familie traumatisiert. Um seiner Mutter eine Stütze zu sein, übernahm der Bub eine Rolle, der er nicht gewachsen war“, berichtet Helga Felder von der Caritas, die seit drei Monaten die Familie betreut. So kümmerte er sich um die 4 und 6 Jahre alten Geschwister, wenn die Eltern nach Wien mussten oder andere Behördengänge zu erledigen hatten. Von solchen Aufgaben soll Samir jetzt entlastet werden. Zusätzliche Energie verlangten dem Jugendlichen mehrmalige Quartier- und damit verbundene Schulwechsel ab. Trotzdem wollte Samir in der Schule weiterkommen. „Seine Motivation ist groߓ, bestätigt Hannes Lisch. Obwohl es wegen der familiären Belastungen nicht zu einem positiven Hauptschulabschluss reichte, attestiert ihm der Lehrer das „Potenzial zum Besuch einer weiterführenden Schule“. Das spornt Samir an. In einem elften Schuljahr möchte er deshalb unbedingt seine Noten verbessern. Die Bewilligung der Bezirkshauptmannschaft zum Besuch der Polytechnischen Schule in Bludenz kam da wie ein Lichtblick in dunkler Nacht. Doch es ist nur ein kleiner. Denn die Gefahr einer möglichen Abschiebung bleibt.

Hohe Ausbildungskosten

Hannes Lisch versteht das zögerliche Handeln der Behörden nicht. „Da investiert der Staat über einen so langen Zeitraum jährlich etwa 8000 Euro in die schulische Ausbildung von Samir und dann kann es sein, dass er zurückgeschickt wird“, meint Lisch kopfschüttelnd. Dass es sich Österreich leisten kann, hochqualifizierte Leute – die Mutter ist Ärztin, der Vater Tischler und Mechaniker – acht Jahre lang unbeschäftigt zu lassen, macht für Hannes Lisch ebenfalls keinen Sinn. Schüchtern merkt auch Samir Yakubov an, dass viele asylsuchende Familien, die vor ihnen ins Land gekommen sind, längst schon eingebürgert seien. Nun wünschen sich die Klassenkameraden, dass es auch bei Samir und seiner Familie bald so weit ist. Einige von ihnen werden Samir in die Polytechnische Schule begleiten. Keiner will ihn als Freund verlieren. Das haben die Jugendlichen klar und deutlich auch in ihren Unterstützungserklärungen zum Ausdruck gebracht. Ein Satz, der für alle spricht: „Ich möchte, dass wir weiter zusammen spielen und zusammen lachen können.“

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