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Britische Regierung wusste von Misshandlungen

Die britische Regierung ist erstmals im Februar über Gefangenenmisshandlungen seitens britischer und amerikanischer Soldaten im Irak informiert worden.

Wie ein Sprecher von Premierminister Tony Blair am Samstagabend mitteilte, wurde seinerzeit ein Zwischenbericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zirkuliert, in dem die Vorwürfe datailliert aufgeführt waren. Die vertrauliche Studie sei noch nicht veröffentlicht worden.

Das IKRK bestätigte, dass es sich dabei um einen authentischen Bericht gehandelt habe. Amerikanische Beamte seien schon vor gut einem Jahr warnend darauf hingewiesen worden, dass Gefangene im Irak gefoltert würden. Eine formelle Erörterung des Problems mit ranghohen US-Regierungsvertretern im Irak habe dann im Februar stattgefunden.

Ein ehemaliger Offizier der britischen Armee-Spezialeinheit Special Boat Squadron (SBS) hat die Misshandlungen von irakischen Gefangenen durch Soldaten der US-geführten Besatzungsstreitkräfte als systematisch bezeichnet. Die von britischen und US-Soldaten angewandten Techniken entsprächen weitgehend einer Vorgehensweise, die bei der SBS und der Schwestereinheit SAS unter der Bezeichnung „R2I” (Resistance to Interrogation, Widerstand gegen Verhöre) gelehrt werde, sagte der anonyme Ex-Offizier der britischen Tageszeitung „The Guardian” (Samstagsausgabe). Zu den Methoden gehörten auch Demütigungen und sexuelle Misshandlungen. Sie dienten dazu, bei den Gefangenen den „Schock der Festnahme” zu verlängern und dies für die folgenden Verhöre auszunutzen.

Der vor kurzem aus dem Irak zurückgekehrte Ex-Soldat sagte, der Großteil britischer und amerikanischer Armee-Spezialkräfte werde dazu ausgebildet, im Falle einer Gefangennahme gleichfalls derartigen Misshandlungen zu widerstehen. Die Ausbildung erfolge in einem gemeinsamen Zentrum der Militärgeheimdienste in Ashford in der südostenglischen Grafschaft Kent und sei eine „verstörende Erfahrung”. Weibliche Soldaten seien dazu angehalten, männliche Gefangene „sexuell lächerlich zu machen” und würden gleichzeitig selbst „lesbischem Spott” ausgesetzt.

Als Vermittler der methodischen Kenntnisse fungierten im Irak frühere SAS-Offiziere, die nun für private Sicherheitsfirmen tätig seien. Die Methoden würden dann aber von untrainierten Soldaten benutzt, die „nicht wissen, was sie tun”. Während ausgebildete Spezialkräfte ein gewisses „Mitgefühl” mit den Gefangenen entwickelten, weil sie in der Ausbildung ähnliche Erfahrungen gemacht hätten, fehle dieses Gefühl den einfachen Soldaten. Dazu käme bei vielen US-Soldaten die irrige Haltung, dass sie es bei den irakischen Gefangenen „mit Verantwortlichen für den 11. September” zu tun hätten.

Die Techniken sähen vor, dass die Gefangenen die meiste Zeit über völlig unbekleidet blieben, berichtete die Zeitung weiter. Zu den weiteren Methoden gehörten unter anderem systematischer Schlafentzug, der Verlust des Zeitgefühls, der Entzug von Heizungswärme, Essen und Getränken sowie die persönliche Entwürdigung.

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