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Briten wählen neues Parlament - Wahllokale geöffnet

Der Urnengang hat großen Einfluss auf den künftigen EU-Kurs London
Der Urnengang hat großen Einfluss auf den künftigen EU-Kurs London ©EPA
In Großbritannien haben die Wahllokale zur Unterhauswahl geöffnet. Die Briten wählen ein neues Parlament, von 8.00 bis 23.00 Uhr (MESZ) können sie ihre Stimme abgeben. Wer künftig in Großbritannien regieren wird, ist laut Umfragen völlig offen.
Kopf-an-Kopf-Rennen
Wahlkampfschlacht in England

Erwartet wird ein knappes Rennen zwischen dem konservativen Premierminister David Cameron und seinem Herausforderer Ed Miliband von der Labour-Partei.

Hängepartie befürchtet

Wahlforscher sahen die Chancen für die beiden Politiker bei 50 Prozent. Ob Cameron seine Regierungskoalition mit den Liberaldemokraten fortführen können wird, ist fraglich. Experten befürchten nach der Wahl eine Hängepartie, sollten keine klaren Mehrheit zustande kommen. Die britische Wahl wird in ganz Europa mit großem Interesse verfolgt. Cameron hat im Falle einer Wiederwahl ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union angekündigt.

Schottische Nationalisten vor Erfolg

Als sicher gilt ein großer Erfolg der schottischen Nationalisten von der SNP. Ihnen wird im Norden von Großbritannien ein überwältigender Sieg mit über 50 der 59 dort zu vergebenden Sitze vorausgesagt. Mit Spannung wird das Abschneiden der rechtspopulistischen UK Independence Party (UKIP) von Nigel Farage erwartet. Ihr werden zwar kaum Chancen eingeräumt, nach der Wahl politisch groß mitzumischen, aber bis zu 15 Prozent der Stimmen könnte die Partei, die Großbritannien aus der Europäischen Union lösen will, auf der Insel bekommen.

Parlamentswahl in Gro§britannien - Die Parteien
Parlamentswahl in Gro§britannien - Die Parteien

Viele Unentschlossene

Dabei wird es wohl auf die noch zahlreichen Unentschlossenen ankommen. Laut Comres wusste jeder vierte Wahlwillige noch nicht sicher, wem er seine Stimme gibt. Es wird nicht damit gerechnet, dass eine der beiden großen Parteien im 650 Sitze zählenden Parlament die absolute Mehrheit erreicht. In diesem Fall müsste sich die stärkste Kraft auf die Suche nach einem Koalitionspartner machen. Experten schließen eine wochenlange Hängepartie nicht aus.

Wahrscheinlichster Koalitionspartner von Camerons Tories sind die Liberaldemokraten von Nick Clegg, die seit 2010 als Juniorpartner in der Regierung sitzen. Auch eine von der Schottischen Nationalpartei (SNP) tolerierte Labour-Minderheitsregierung ist denkbar. Mit Spannung wird zudem das Abschneiden der EU-feindlichen United Kingdom Independence Party (UKIP) erwartet. Die Wahllokale sind am Donnerstag von 08.00 bis 23.00 Uhr MESZ geöffnet. Prognosen werden unmittelbar im Anschluss erwartet, das Endergebnis soll am Freitag bekannt gegeben werden.

Parlamentswahl in Gro§britannien - Aktualisiert
Parlamentswahl in Gro§britannien - Aktualisiert

“Richtungsweisende Wahl”

Die Parlamentswahl in Großbritannien ist nach Einschätzung von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz für Europa “von richtungsweisender Bedeutung”. Wenn die Konservativen von Premierminister David Cameron wiedergewählt würden, müsse dieser sein Versprechen eines Referendums über den Verbleib des Landes in der EU wahr machen, sagte Schulz in einem Interview mit WDR und NDR vom Donnerstag.

Das bringe Großbritannien und die EU möglicherweise “in eine sehr schwierige Situation”. Als “Schicksalswahl” wolle er den Urnengang aber nicht bezeichnen. “Aber die Wahl ist für die EU von richtungsweisender Bedeutung”, fügte Schulz hinzu. Eine Labour-Regierung in London wäre hingegen, “was die Europa-Politik angeht, auf einer ganz anderen Linie als Cameron”, sagte Schulz. Ihr Stil sei “sicher kooperativer als der von David Cameron”. Dieser wolle allerdings auch “unter allen Umständen” in der EU bleiben. Mit dem Versprechen einer Volksabstimmung habe Cameron sich aber “eine Kampfzone eingehandelt, in der er nicht immer Herr des Verfahrens ist”.

“Keine Gefahr für Europa”

Schulz führte in dem Interview aus, Camerons Forderungen an Brüssel seien “insofern keine Gefahr für Europa, als vieles, was Cameron in Großbritannien als Reformschritte verkauft, Dinge sind, die wir in Brüssel längst diskutieren”. Weniger Regulierung oder die Rückgabe von Kompetenzen an lokale und regionale Ebenen seien für die EU “kein Problem”.

In Großbritannien wird am Donnerstag ein neues Parlament gewählt. In Umfragen liegen die konservativen Tories von Premierminister David Cameron und die Labour-Partei von Oppositionsführer Ed Miliband gleichauf.

Internationale Pressestimmen zum Urnengang

Internationale und britische Pressekommentare befassen sich am Donnerstag mit der Unterhauswahl in Großbritannien.

Die französische Zeitung “Liberation” schreibt:

“Die Linke in Großbritannien hat festgestellt, dass die Arbeitslosigkeit auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit zurückgegangen ist. Damit hat Labour-Chef Ed Miliband im Wahlkampf Punkte gewonnen und die Wiederwahl der Konservativen erschwert, auch wenn noch nichts entschieden ist. Dies ist auch die Herausforderung für alle europäischen Linken: Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig ein fortschrittliches soziales Modell fördern. Im Labour-Programm fehlt das Projekt einer Reform, die der liberalen Offensive für ein unsoziales Wachstum standhalten könnte. (Premierminister David) Cameron war erfolgreich, aber ungerecht. Wenn die Gerechtigkeit allerdings den Erfolg bremst, dann hat die Linke schon vorher verloren.”

“Politiken” (Kopenhagen):

“Das Großbritannien, das heute zur Wahl geht, ist keine geeinte Nation, die an die Wahlurnen tritt, um einen neuen Anführer zu wählen. Es ist ein ‘Disunited Kingdom’ politischer Gruppierungen, die mit ihrem eigenen Selbstverständnis zuoberst auf der Tagesordnung zur Wahl gehen. Und es sind zwei große Parteien – Labour und die Konservativen -, die nicht mehr als nationale Parteien erscheinen.”

“Dennik N” (Bratislava):

“Besonders interessant an den britischen Parlamentswahlen ist, wie unterschiedlich sie diesseits und jenseits des Ärmelkanals betrachtet werden. Die Briten selbst interessiert kaum, was für den Rest Europas die wichtigste Frage ist – nämlich, ob der Wahlausgang zu einem Referendum über die EU-Mitgliedschaft führen wird. Für die Briten stehen die noch immer anhaltende Wirtschaftskrise und aufgrund des Mehrheitswahlrechts spezifische lokale Themen im Vordergrund. Die EU ist für sie erst Thema einer nächsten Runde.”

“Hospodarske noviny” (Prag):

“Die übrigen EU-Mitglieder kennen zwar bereits den Namen der neuen Prinzessin von Cambridge, aber sie wissen nicht, welche Regierung sie nach den Wahlen vom Donnerstag erwartet. Über die EU-Mitgliedschaft ist in der Wahlkampagne kaum diskutiert worden, dafür umso mehr über das Gesundheitssystem oder Studiengebühren. Es gab so etwas wie eine stillschweigende Vereinbarung zwischen den Konservativen und Labour, keine EU-Debatte zu eröffnen, von der die europhobe UKIP-Partei profitierten könnte. (…) Im Ausland ist ein möglicher ‘Brexit’ ein noch sensibleres Thema als ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Besonders Deutschland hat kein Interesse an einer Europäischen Union ohne Großbritannien und ist deshalb immer wieder bereit, London entgegenzukommen.”

“Diena” (Riga):

“In Brüssel, Berlin, Paris und anderen Hauptstädten von EU-Staaten wird die heutige Parlamentswahl in Großbritannien mit verstärktem Interesse beobachtet. (…) Die große Unbekannte bei dieser Wahl ist, ob sich London nach der Abstimmung entscheidet, Schritte zu unternehmen, die die Zukunft Großbritanniens in der EU gefährden könnten. Es wird die am schwersten vorhersehbare Parlamentswahl in Großbritannien seit Jahrzehnten sein, weil schon lange klar ist, dass keine der beiden größten Parteien des Landes – die seit 2010 regierenden Konservativen und die oppositionelle Labour-Partei – einen derart überwältigenden Wahlsieg einfahren wird, um allein eine Regierung bilden zu können.”

“Guardian” (London):

“Für die Wähler war dieser streng kontrollierte Wahlkampf sichtlich unbefriedigend. Es gab keine Konfrontation, und unzufriedene Bürger sind nicht zu Wort gekommen. Weil (Premier David) Cameron jede Gegenüberstellung blockierte, gab es nur eine richtige TV-Debatte. Mit sieben Teilnehmern hat die sehr viel weniger Wirkung gezeigt, als möglich gewesen wäre. Vor einer Woche konnten sich endlich die Wähler in einer BBC-Sendung äußern. Dabei wurden die schärfsten Angriffe gegen die Politiker ausgesprochen. Nun haben die Wähler endlich das letzte Wort. Unserer Meinung nach verdient es Labour, unterstützt zu werden, doch auch wenn sie anderer Meinung sind, so sollten die Bürger sich an der Wahl beteiligen.”

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