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"Breiviks Erklärung" wurde in Wien verlesen: Betroffene Reaktionen

Der Attentäter Anders Behring Breivik beim Prozess
Der Attentäter Anders Behring Breivik beim Prozess ©DAPD
Am Mittwochabend fand das Wien-Gastspiel der szenischen Lesung von "Breiviks Erklärung" statt. Die im Vorjahr in Weimar uraufgeführte Produktion des Schweizer Regisseurs Milo Rau, wurde auf Einladung der Garage X in der Aula der Akademie der bildenden Künste gezeigt. 
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Die Lesung von “Breiviks Erklärung” löste im ausverkauften Saal Betroffenheit aus. Die deutsch-türkische Schauspielerin Sascha Ö. Soydan verlas hoch konzentriert und emotionslos, allerdings durch eine schlecht funktionierende Tonanlage immer wieder beeinträchtigt, die einstündige Rede, die der norwegische Attentäter Anders B. Breivik am 17. April 2012 zu Beginn seines Prozesses in Oslo gehalten hatte.

Regisseur zur Wahl der Darstellerin

Es sei ihm bei der Wahl der Darstellerin auf eine möglichst große Distanz zur realen Figur des Verbrechers gegangen, der im Juli 2011 in Oslo mit einer Autobombe acht Menschen getötet und danach in einem Jugendlager der Arbeiterpartei auf der Insel Utöya 69 Menschen erschossen hatte, erläuterte der Regisseur im anschließenden Publikumsgespräch.

Betroffenheit: Niemand lachte in Wien

Breiviks Rede kreist um die ethnisch reine “norwegische Urvolk”, das durch die ihm von “Multikulturalisten und Neoliberalen” aufgezwungene Politik unter Druck geraten, ja gar vom Aussterben bedroht sei.

Dass in Wien das Publikum “Breiviks Erklärung” konzentriert und sichtbar betroffen folgte, erstaunte Rau. An bisherigen Spielorten sei immer wieder Gelächter aufgekommen, sogar im Gerichtssaal habe Lachen und Gähnen der anwesenden Prozessbeobachter die Verlesung begleitet. Zum Lachen war jedoch gestern niemandem.

“Breiviks Erklärung”: Menschenverachtung in Reinkultur

Die von Breivik entwickelte Kausalkette zwischen Migration und Untergang einer Gesellschaft, die von den Politikern verraten und verkauft werde, wirkt in sich schlüssig argumentiert, ist jedoch so furchtbar in seiner menschenverachtenden Grundhaltung, alles Fremde als Bedrohung wahrzunehmen, dass es einem den Atem raubt.

Die Rede sei einerseits höchst banal, andererseits so erschreckend, weil die Inhalte über weite Strecken sehr bekannt wirkten, hieß es bei der abschließenden Diskussion. “Wenn man 30 bis 40 Sätze wegstreicht, kann das der Fraktionsvorsitzende der FPÖ im Wiener Landtag auch halten”, sagte der Publizist Robert Misik.

Anders B. Breivik: “Ja, ich würde es wieder tun!”

Eine andere Frage sei, ob man diesen Inhalten überhaupt ein Forum geben müsse. Aufführungen von “Breiviks Erklärung”, die in jeder Stadt nur ein einziges Mal gezeigt werden soll (“Ich möchte nicht, dass am Staatstheater-Spielplan mal Schillers ‘Räuber’ und ein anderes Mal ‘Breiviks Erklärung’ steht”, so Rau), sollen u.a. noch in Brüssel und Oslo stattfinden.

Dort wird dann auch ein Satz zu hören sein, der neben der ideologischen Rechtfertigung eines Massenmordes am meisten erschreckt: “Ja, ich würde es wieder tun!”

(apa/red)

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