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Brasiliens Ex-Präsident wird angeklagt

Im schlimmsten Fall drohen Lula über 32 Jahre Haft
Im schlimmsten Fall drohen Lula über 32 Jahre Haft
Brasiliens früherer Präsident Luiz Inacio Lula da Silva wird von der Generalstaatsanwaltschaft als Drahtzieher in einem das Land seit Monaten erschütternden Korruptionsfall angeklagt. Dies teilte das Ministerio Publico Federal (MPF) mit. Damit wird ein Prozess gegen den 70-Jährigen immer wahrscheinlicher. Das MPF ist vergleichbar mit einer Bundes- oder Generalstaatsanwaltschaft.


Dabei geht es um Schmiergeldzahlungen an Politiker bei öffentlichen Auftragsvergaben (Operation “Lava Jato”) – im Fokus stehen das größte Unternehmen des Landes, der Ölkonzern Petrobras, und Bauunternehmen. Lula wird vor allem vorgeworfen, von einem Baukonzern im Zusammenhang mit einem umstrittenen Apartment am Meer begünstigt worden zu sein.

Die meisten Zahlungen fielen in Lulas Präsidentschaft (2003 bis Ende 2010), betreffen aber nicht nur die linke Arbeiterpartei, sondern zum Beispiel auch die Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) des neuen Präsidenten Michel Temer. Der geschasste Parlamentspräsident Eduardo Cunha (PMDB) soll fünf Millionen Dollar in der Schweiz geparkt haben.

Der für die Operation verantwortliche Ankläger Deltan Dallagnol sieht Lula aber als “Hauptverantwortlichen (“Comandante Maximo”) in dem bei Lava Jato ermittelten Korruptionssystem”. Auf einem Powerpoint-Bild aus der Pressekonferenz des Staatsanwalts, das bereits von Lulas Gegnern auf T-Shirts gedruckt wurde, zeigen alle Pfeile demonstrativ auf einen Kreis mit dem Namen Lulas. Die linke Arbeiterpartei sprach von einem rein politisch motivierten Verfahren, um eine erneute Präsidentschaftskandidatur Lulas (70) im Jahr 2018 zu verhindern.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Agencia Brasil kann Lula im schlimmsten Fall bei einem Schuldspruch für alle Vorwürfe eine Gefängnisstrafe von bis zu 32 Jahren und sechs Monaten drohen.

Der bisher konkreteste Vorwurf dreht sich um ein Apartment in Guaruja an der Atlantikküste, das Lula und seiner Frau gehören soll und das der Baukonzern OAS für sie aufwendig renoviert haben soll. Der Begründer der Arbeiterpartei, einst einer der beliebtesten Politiker der Welt, wurde schon dazu mehrfach verhört. Lula beteuert seine Unschuld. Die Ermittler werfen Lula vor, von OAS mit einer Summe von 3,7 Millionen Reais (1 Mio. Euro) begünstigt worden zu sein.

Neben ihm droht auch seiner Frau Marisa und sechs weiteren Personen, darunter OAS-Managern, ein Prozess wegen Geldwäsche und Korruption. “Ich war nie Besitzer der dreistöckigen Immobilie, noch habe ich eine Nacht dort geschlafen”, betonte Lula, der umfangreiche Dokumente zu seiner Verteidigung vorgelegt und diese online gestellt hatte.

Es werde von seinen politischen Gegnern verzweifelt versucht, die Lava-Jato-Ermittlungen auf ihn auszuweiten. Er wirft der neuen Regierung und der Justiz nach der Amtsenthebung seiner Parteifreundin Dilma Rousseff ein politisch motiviertes Vorgehen vor. Ende August hatte Temer das Präsidentenamt übernommen – er war zuvor Rousseffs Vizepräsident, seine PMDB hatte die Koalition gebrochen und so die Mehrheiten zur Absetzung Rousseffs wegen angeblicher Bilanztricks zustande gebracht. Das Land ist polarisiert, die Linke spricht von einem “Putsch” und wirft auch der Justiz parteiisches Verhalten vor.

Temer amtierte bereits seit der Suspendierung Rousseffs im Mai als Interimspräsident. Auch gegen ihn wird im Petrobras-Skandal ermittelt. Rousseff sieht in dem Amtsenthebungsverfahren einen “Putsch” ihrer Gegner und legte vor dem Obersten Gerichtshof Berufung ein.

Seit dem Abtritt Lulas ist sein Erbe durch den Petrobras-Skandal und andere Affären stark beschädigt worden, doch ist er in der Bevölkerung weiterhin sehr populär.

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