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Brasilien im Fußballfieber

Während in Österreich an einem Weg aus der Fußball-Krise gearbeitet wird, tanzen die Brasilianer voller (Vor)Freude auf den Straßen. Sie alle hoffen auf die Fußball-WM 2014 im eigenen Land.

Eisverkäufer Joao und Landesgouverneur Jose Arruda haben in Brasilien eines gemeinsam: Sie planen bereits, wie unzählige Landsleute, für das Jahr 2014. Die Vergabe der übernächsten Fußball-WM durch den Weltverband FIFA am Dienstag in Zürich treibt im Land seltsame Blüten. Joao zum Beispiel hat seine drei Buben im Alter von 14, 12 und 11 Jahren in eine Fußballschule in Rio de Janeiro gesteckt. „Das kostet mich zwar ein Fünftel des Einkommens, aber vielleicht schafft es einer der drei noch bis zur WM in unserem Lande in die Seleñao“, träumt der 40-Jährige mit offenen Augen am Strand der Copacabana.

Arruda, Gouverneur des Bundesdistrikts Brasilia, ordnete unterdessen per Dekret an, dass alle Schulen des Distrikts die WM als Unterrichtsfach einführen. „Das wird unter den jungen Leuten die Bedeutung des Turniers für unser Land früh deutlich machen“, erklärte er. Während einige für den Dienstag Jubelpartys vorbereiten, werden schon Urlaubspläne für 2014 gemacht. „Während der WM gehe ich auf keinen Fall arbeiten. Wenn ich nicht Urlaub bekomme, kündige ich“, meinte ein Polizist in Rio.

Da Brasilien der einzige Bewerber für 2014 ist, gehen die 180 Millionen Einwohner ausnahmslos davon aus, dass 64 Jahre nach dem tragischen Titelverlust daheim gegen Uruguay die Chance für eine Wiederherstellung der nationalen Ehre gegeben sein wird. Nicht wenige Brasilianer meinen nämlich, dass die fünf WM-Titel seit 1958 die damalige Schande nicht haben verdrängen können. Der Präsident des Nationalverbandes CBF, Ricardo Teixeira, warnt aber vor allzu früher Euphorie. „Es geht nicht nur darum, am 30. Oktober zu gewinnen. Wenn wir bis 2014 ins Fettnäpfchen treten, kann man uns die WM wieder wegnehmen. Das passierte etwa 1986 mit Kolumbien“.

Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva, der am Dienstag neben Ex-Weltstar Romario, dem Bestseller-Autor Paulo Coelho sowie anderen Persönlichkeiten und Politikern aus Brasilien in Zürich sein wird, sieht nur positive Seiten. Die WM werde die Größe des Landes im Ausland verbreiten und das Selbstbewusstsein der Brasilianer erhöhen, versicherte er.

Die kritischen Stimmen sind zwar in der Minderheit, aber nicht zu überhören. „Wir können eine WM ausrichten, aber nie und nimmer eine wie jene in Deutschland, mit so vielen neuen und modernen Stadien“, meint der angesehene Sportjournalist Juca Kfouri. Er befürchtet auch die Korruption und weist darauf hin, dass die Kosten für die Panamerikanischen Spiele 2007 in Rio auf mysteriöse Weise von ursprünglich 400 Millionen auf vier Milliarden Real (1,6 Milliarden Euro) in die Höhe geschossen seien.

Unterschlagung von Geldern sieht auch der frühere Nationalspieler Socrates, eine der kritischsten Stimmen im brasilianischen Fußball, voraus. „Ich würde als Unternehmer nichts in die WM investieren“, der brasilianische Fußball werde von Schlitzohren ausgebeutet, so Socrates. Der frühere Nationalcoach Wanderley Luxemburgo räumt ein, dass „viele Brasilianer nicht verstehen können, wie die WM in einem Land ausgetragen werden kann, in dem das Volk Hunger leidet“.

Der Soziologe Mauricio Murad sieht neben Korruption und Bürokratie vor allem die zunehmende Gewalt und Kriminalität als Haupthindernisse für die WM in Brasilien. Es werde allerdings aufgrund der kulturellen Beziehung der Brasilianer zum Fußball eine große „kollektive Mobilisierung geben, die auch Investoren“ anziehen werde.

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