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Böses Foul am Fußball

Deutschland rutscht immer tiefer in den Schiedsrichter-Wettskandal. Täglich werden neue Details bekannt, der WM-Veranstalter 2006 wirkt in Hilflosigkeit erstarrt. War der "Fall Hoyzer" aber nur die Spitze des Eisbergs?

Auch ein Nobelpreisträger outete sich einmal als glühender Verfechter des heißen Drahts zwischen Leben und Spiel. “Das meiste, was ich über die Moral der Menschen weiß, verdanke ich dem Fußball”, sprach einst Albert Camus. Damit hat der französische Schriftsteller und Philosoph alles beschrieben. Natürlich auch die Untiefen.

Die Literatur zu diesem Thema ist in den vergangenen Tagen um zahllose Beiträge erweitert worden. Ein Schiedsrichter hat absichtlich falsch gepfiffen, dafür hohe Summen kassiert, und er soll nicht der einzige gewesen sein. Ein brutales Foul am Fußball, Deutschland steht unter Schock. Der Skandal, der mittlerweile als “Flächenbrand” (“Die Welt”) im ganzen Land wütet, schlägt nicht nur wüste Kerben in das Gesicht des populärsten Sports, sondern hat – vorerst unauslöschlich und trotz der kroatischen Wettmafia – auch das Bild des deutschen Saubermanns angeschwärzt.

Das reicht vom kleinen Mann, dem Schiedsrichter, bis zu den Bossen. Seit Oktober herrschen zwei Köpfe (Theo Zwanziger, Gerhard Mayer-Vorfelder) über den deutschen Fußball, aber sie erkannten nicht, was sich vor ihren vier Augen abspielte. Deutlich erkennbar war dafür menschliches Versagen. Schon im August war der DFB von der Wettorganisation (Oddset) schriftlich auf Ungereimtheiten in einem Spiel hingewiesen worden, die Schiedsrichter-Affäre aber wurde buchstäblich verpfiffen. Fast ein halbes Jahr verstrich ergebnislos. Dann flog der Skandal auf. Der verdächtige “Unparteiische” gestand, es kam zu ersten Festnahmen. Und da saßen die Führungskräfte vor den Kameras, mit Mienen, so als würde der Fußball zu Grabe getragen. Tatsächlich war es eine Demonstration der Machtlosigkeit.

Über die Medien sind schon weitere Details bekannt geworden: Schiedsrichter, Spieler, Vereine. Inzwischen wurde eine Partie der ersten deutschen Bundesliga beim Namen genannt. Der “Fall Hoyzer” war offenbar nur die Spitze des Eisbergs.

Die kollektive Nervosität und Unruhe ist verständlich, denn der Skandal erwischt den großen Nachbarn am linken Fuß, nämlich zu einem Zeitpunkt, da die Deutschen mit ihrer Weltmeisterschaft 2006 durch den Start des Ticketverkaufs in die erste Großoffensive gehen. Der Eindruck ist verheerend. Die Welt blickt auf Deutschland, das das prestigeträchtigste Sportereignis vor sich hat und nicht in der Lage ist, einen Fall zu lösen. Der Ruf nach Rücktritten wird immer lauter, die Kommentare in den deutschen Gazetten schwanken im günstigsten Fall zwischen “Schlamperei” (“Bild”) und “Hilflosigkeit” (“Süddeutsche Zeitung”). Der Sport hat ein massives Glaubwürdigkeitsdefizit.

Die Affäre erinnert an den Bundesliga-Skandal 1971. 18 Spiele waren damals manipuliert worden. Mehr als 50 Fußballer, darunter der Österreicher Hans Pirkner (Schalke 04), wurden gesperrt.

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