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Blutige Eskalation

Nach der blutigen Eskalation des Generalstreiks in Venezuela hat Präsident Hugo Chavez (48) die Bevölkerung zur Ruhe aufgerufen.

Er sei bereit, den Dialog mit der Opposition wieder aufzunehmen, sagte Chavez am Samstag in Caracas. Am Freitagabend (Ortszeit) waren bei einer Schießerei während einer Kundgebung der Opposition in der Hauptstadt mindestens drei Menschen getötet und 18 verletzt worden. Die Opposition sprach von einem “Verbrechen von Chavez gegen das Volk” und kündigte eine Intensivierung ihrer Proteste gegen den Präsidenten an. Die Polizei hat unterdessen zwei mutmaßliche Schützen gefasst.

Die Verhandlungen sollten laut Chavez noch in der Nacht auf Samstag (Ortszeit) aufgenommen werden. Sie laufen unter Vermittlung des Generalsekretärs der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Cesar Gaviria. Dieser war nach Rundfunkangaben nach dem Anschlag zu einer Krisensitzung mit Chavez zusammengekommen. Auch Vizepräsident Jose Vicente Rangel ließ die Bereitschaft der Regierung zu Verhandlungen erkennen.

Auf dem Platz Francia in der Oppositionshochburg Altamira im Osten der Hauptstadt war Medienangaben zufolge aus einem Fahrzeug wahllos in die Menge gefeuert worden. Daraufhin hätten sich zahlreiche Menschen in Panik auf den Boden geworfen. Insgesamt seien rund 20 Schüsse abgegeben worden. Die Behörden schickten bewaffnete Polizisten zu dem Kundgebungsort. Das Fernsehen zeigte blutverschmierte Straßen und Helfer des Roten Kreuzes, die sich um die Verletzten kümmerten.

Im Nobelviertel Altamira demonstrieren seit Ende Oktober Unterstützer einer Gruppe von regierungskritischen Offizieren gegen Präsident Chavez. Der Anführer der Offiziere, General Enrique Medina, sprach nach der Schießerei von einem “brutalen Massaker”, an dem die Regierung beteiligt sei. Er rief die Streitkräfte auf, sich gegen Chavez zu erheben. Überall in der Hauptstadt schlugen Oppositionsanhänger auf Töpfe und Bratpfannen, um sich mit den Streikenden zu solidarisieren. Auch am Ort des Anschlags wurde bald wieder demonstriert. Für das Wochenende kündigte die Opposition eine Intensivierung ihrer Proteste an.

Einer der festgenommenen Männer soll unterdessen die Tat gestanden und erklärt haben, er hätte es auf ein Kamerateam des regierungskritischen Fernsehsenders Globovision abgesehen. “Ja, ich war es”, sagte er einem Reporter des TV-Senders Venevison. Die beiden Männer seien festgenommen worden, als sie die Menschenmenge lynchen wollte, hieß es. Der Hauptstadt-Bürgermeister und Oppositionsführer Alfredo Pena meinte jedoch, die Aussagen der Festgenommenen und verschiedener Augenzeugen seien widersprüchlich. “Ein oder zwei Männer können nicht so viel Schaden anrichten”, sagte er. Einige venezolanische Medien sprachen von bis zu vier Angreifern.

Mit dem vierten Generalstreik in diesem Jahr versucht die Opposition seit Montag erneut, den Rücktritt von Chavez zu erzwingen. Sie wirft dem linksnationalistischen Präsidenten Machtmissbrauch, einen autoritären Regierungsstil und schlechte Wirtschaftspolitik vor. Bei einem ähnlichen Streik gegen Chavez am 11. April waren 19 Menschen infolge von gewaltsamen Unruhen ums Leben gekommen.

Die Oppositionellen bestreiken auch den für den Export wichtigen Ölsektor. Nach Angaben eines Streikenden aus der Ölindustrie traten am Freitag vier Direktoren der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA zurück. Diese Entscheidung hätten die Manager selbst getroffen und nicht auf Druck von außen, sagte der PDVSA-Mitarbeiter und Streikanführer Juan Fernandez im Rundfunksender Union Radio.

PDVSA-Chef Ali Rodriguez hatte den Streik noch am Freitag als “Energie-Putsch” bezeichnet, der die Regierung aber nicht stürzen werde. Der Generalstreik richte sich vor allem gegen das Land. Energieminister Rafael Ramirez erklärte, wegen des durch die Streiks verursachten Verarbeitungsstaus sei die Produktion von Rohöl um bis zu 500.000 Barrel pro Tag gedrosselt worden. Dies ist rund ein Sechstel der Tagesproduktion. Venezuela ist der fünftgrößte Ölexporteur der Welt.

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