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Blackout-Vorsorge in Österreich: APG musste heuer schon 160 Mal eingreifen

Die APG ist dafür da, dass es in Österreich keinen längeren Blackout gibt. Durch die erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenenergie wird dies zunehmend zur Herausforderung.
Die APG ist dafür da, dass es in Österreich keinen längeren Blackout gibt. Durch die erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenenergie wird dies zunehmend zur Herausforderung. ©APA/HANS PUNZ
Die Blackout-Vorsorge in Österreich wird verstärkt. Heuer musste die APG (Austrian Power Grid) bereits 160 Mal zur Netzstabilisierung eingreifen, das Stromsystem wird durch die erneuerbaren Energien immer anfälliger.

Die Vorkehrungen gegen ein "Blackout" in der Stromversorgung in Österreich werden verstärkt. Dazu haben am Montag Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und der Vorstand des Hochspannungsnetzbetreibers APG einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Die Polizei kann damit ein, zwei Stunden früher gewarnt werden. Die APG kann binnen längstens 20 bis 30 Stunden die Versorgung wiederherstellen, zeigen Simulationen. Jedoch wird das Stromsystem durch die Erneuerbaren immer anfälliger.

APG für Netzstabilisierung zuständig

"Wir diskutieren den Erzeugungsausbau, vernachlässigen aber das Gesamtsystem. Der Netzausbau muss schneller gehen", forderte der technische Vorstandsdirektor der Austrian Power Grid (APG), Gerhard Christiner, vor Journalisten mit Blick auf Windkraft und Photovoltaik. Der Netzausbauplan der APG sieht bis 2032 ein Volumen von 3,5 Mrd. Euro vor. Zudem hat die APG zur Netzstabilisierung erneut Verträge mit Gaskraftwerken abgeschlossen, um bei Bedarf Leistung abrufen zu können. Ab 1. Oktober habe man 3.200 Megawatt (MW) Leistung unter Vertrag, leider wegen Bedenken der EU-Kommission nur für eine Anlage für länger als ein Jahr. Heuer habe man schon 160 mal zur Netzstabilisierung eingreifen müssen.

Die Strommarktliberalisierung vor 20 Jahren habe auch eine Verknappung der Erzeugungskapazitäten gebracht, sagte Christiner. Österreich weise einen Spitzenverbrauch von 9.000 MW auf, müsse aber 4.000 MW importieren. "Auch die Klimawende mit ihren Extremwetterereignissen macht uns zu schaffen und trägt dazu bei, dass das System labiler wird und am Limit fährt." Zudem seien für die APG kaum qualifizierte Mitarbeiter am Markt zu finden. Die Dekarbonisierung werde nur mit mehr volatilem grünem Strom erfolgen können, der Wirtschaftsstandort hänge aber von einer sicheren Stromversorgung ab.

Blackout nach spätestens 20-30 Stunden überwunden

Die Erfahrungen zeigen laut Christiner, dass ein Blackout im besten Fall nach etwa zehn Stunden beherrscht werden kann, laut den ständig durchgespielten Simulationen laufe die Versorgung nach längstens 20 bis 30 Stunden wieder. Die eigenen Leute schicke man regelmäßig zum Training nach Duisburg, "dort trainiert halb Europa". Dort übe man, was sich bei einem Ausfall noch verbessern lasse.

Die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts sei sehr schwer zu benennen - der für technische Ausrüstung verantwortliche Generalmajor Peter Skorsch aus dem Innenressort sprach von einem "Blick in die Glaskugel".

Knapp am Blackout vorbeigeschrammt

Wichtig sei, dass man schnellstmöglich reagieren könne, wie dies am 8. Jänner geschehen sei, so Christiner. Damals war wegen Problemen in Kroatien nahe der Grenze zu Ungarn das europäische Stromnetz kurzzeitig in zwei Regionen zerfallen. Gleich nach diesem Ereignis seien Schritte initiiert worden, um bei einem Blackout die "Chaos-Phase" möglichst kurzzuhalten, sagte Skorsch. Auch der 24. Juli, als es zu Stromausfällen in Spanien, Portugal und Teilen Frankreichs kam, zeige, dass Sicherheit nicht selbstverständlich sei, so Christiner.

Laut Nehammer kann die Polizei bei einem Blackout 72 Stunden lang, also für drei Tage, die volle Einsatzbereitschaft aufrechterhalten und für weitere vier Tage, also insgesamt sieben Tage, die Sicherheit in Österreich gewährleisten. 100 Standorte sollen nun resilient, also durchhaltefähig werden, darunter das Innenministerium selbst sowie wichtige Zentralen wie das Bundeskriminalamt (BKA), die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), die Cobra, die Landespolizeidirektionen und die Bezirkspolizeikommanden.

Ein großflächiger Stromausfall ist ein reales Risiko

Ein Blackout, also ein überregionaler Zusammenbruch der Stromversorgung, ist ein extrem seltenes Katastrophenereignis - es ist das Worst-case-Szenario für die Stromversorgung, das "wir nicht für wahrscheinlich halten", beruhigte E-Control-Vorstand Alfons Haber kürzlich bei einem Fachvortrag. "Das ist selten", bestätigte auch der Stromexperte Herwig Renner von der TU Graz, "aber ganz ausschließen kann man es nicht."

Großflächige Stromausfälle gab es in Österreich 1976 und in Teilen des Landes im Jahr 2006. In Italien wurde es im Jahr 2003 für einen Tag lang finster. Ein Spannungsabfall wie im Jänner 2021, der sich aber ohne Blackout ausging, ist "gar nicht so selten", sagt TU-Professor Herwig Renner. Im Juli habe sich etwa die iberische Halbinsel von Frankreich getrennt.

"Stromausfall ist nicht gleich Stromausfall"

"Stromausfall ist nicht gleich Stromausfall", erklärte Renner bei einem Fachseminar des Stromregulators E-Control. Von Ausfällen betroffen sein könnten einerseits Verteilnetze, das sind strahlenförmig verbundene Nieder- oder Mittelspannungsnetze. "Wenn hier etwas passiert, dann ist das typischerweise der Baum, der irgendwo hineinfällt, oder der Bagger, der ein Kabel erwischt." Auch hier kann es zu größeren Stromausfällen kommen, aber das ist dann noch lange kein Blackout.

Anders sieht es beim Hochspannungs-Übertragungsnetz aus. "Wenn irgendwo eine Leitung ausfällt, heißt das nicht zwangsläufig, dass es irgendwo finster wird." Der Strom finde dann einen anderen Weg. Kritisch werde es dann, wenn mehrere Ereignisse bei ungünstigen Voraussetzungen zusammenkommen, etwa ein kalter Wintertag, oder hoher Stromtransport bei starker Windstrom-Einspeisung in Norddeutschland und großen Lasten im Süden, oder wichtige Leitungen oder Kraftwerke sind nicht verfügbar.

"System Split" als reale Bedrohung

Ein aktuelles Bedrohungsszenario sei der "System Split", erklärte Renner, wenn sich also das große Stromnetz aufteilt in mehrere Teilnetze. "Die Frage ist, ob diese Teilnetze dann in der Lage sind, für sich zu überleben." Problematisch sei das dann, wenn Verbrauch und Erzeugung in diesen Teilnetzen nicht ausgeglichen sind, wen also der Strom aus Wasserkraft oder Windkraft nicht dort erzeugt wird, wo die großen Verbraucher sind.

So einen Riss im Stromnetz habe es etwa im Jahr 2003 in Italien gegeben, das ein großer Stromimporteur sei. Die Stromverbindungen zwischen Italien und der restlichen EU seien damals "wie ein Reißverschluss aufgegangen". 13 Stunden habe es damals gedauert, bis der Großteil des Netzes wieder hergestellt war, 20 Stunden bis zu vollständigen Wiederherstellung. "Das ist durchaus realistisch auch für andere Szenarien."

Österreich ist Strom-Transitland

Einen anderen großen Störfall habe es im November 2006 gegeben, bei untypisch starken Stromtransporten von Südost- nach Nordwesteuropa. Der Riss des Stromnetzes sei damals genau durch Österreich gegangen, das ein Strom-Transitland ist. Auch dieser Störfall sei aber kein richtiger Blackout gewesen, sondern eine Abschaltung von Kunden, um einen Blackout zu vermeiden. Bei der Großstörung am 4. November 2006 mussten zehn Millionen Haushalte in Westeuropa vom Stromnetz getrennt werden.

Das Ereignis vom 8. Jänner 2021 ausgehend von Südosteuropa war laut E-Control-Vorstand Alfons Haber ein "Stresstest", der gut bewältigt wurde. Aufgrund einer technischen Störung, wieder bei hohem Stromtransport von Südost- nach Nordwesteuropa, sei es zu einer Trennung vom europäischen Verbundnetz gekommen, aber innerhalb einer Stunde sei das europäische Netz dank des vorhandenen Know-hows und der Erfahrung der europäischen Übertragungsnetzbetreiber wieder zusammengeschaltet gewesen.

Mehrere Sicherheitsmaßnahmen greifen

Damals war viel die Rede von einem "Beinahe-Blackout" infolge eines massiven Spannungsabfalls im Stromnetz. Laut dem österreichischen Übertragungsnetzbetreiber APG kam es damals zu einer kurzfristigen Frequenzabweichung von etwa 260 mHz. Die Netzfrequenz sank am frühen Nachmittag auf unter 49,75 Hz. Laut TU-Graz-Professor Renner war das Ereignis "von der Presse sehr hochgepusht". "Ja, es war ein Frequenzabfall und ein System Split, aber es hat sehr gut funktioniert, man hat es sehr gut im Griff gehabt. Da mag vielleicht auch Glück dabei gewesen sein, aber es war auch entsprechend gute Vorbereitung dabei."

"Wenn die Frequenz einmal auf 49 Hertz absinkt, dann beginnt man schon mit rigorosen Maßnahmen", erklärte Renner, "dann werden die ersten Kunden weggeschaltet." Wenn die Frequenz noch weiter sinke, "dann ist bei 47,5 Hertz der Point of no return erreicht. Bei einem Weitersinken besteht die Gefahr, dass bei Kraftwerksturbinen Schäden entstehen können, dann schaltet man ab." Eine Abweichung der Spannung nach oben sei weniger kritisch, weil es einfacher sei, Stromerzeugung wegzuschalten als den Verbrauch zu reduzieren.

Wasserkraftwerke in Österreich helfen bei Blackout

Für das Wiederhochfahren der Stromerzeugung nach einem Blackout gebe es bereits Szenarien, erklärte Renner. Zunächst müsste man kleine Inseln aufbauen und diese dann miteinander verbinden. "Das geht in Österreich ganz gut, weil wir viele Wasserkraftwerke haben." Das sei deshalb wichtig, weil diese Kraftwerke "schwarzstart-fähig" seien, also unabhängig vom Stromnetz wieder hochfahren könnten. Beginnen würde man etwa bei den Kraftwerken Kaprun und Malta, wobei man zunächst lokale Verbraucher zuschalten würde, "mit dem Ziel, dass man möglichst bald Richtung Wien kommt".

Ganz wesentlich für eine Verringerung des Blackout-Risiko sei das Stromnetz, betonte APG-Vorstand Gerhard Christiner. Das Thema Versorgungssicherheit werde in der Diskussion nicht gleichrangig behandelt mit den Themen Binnenmarkt und Energiewende. Stromerzeugung und -verbrauch seien in Europa nicht gleichmäßig verteilt. Im jährlichen Durchschnitt würden täglich große Strommengen von Nordwest- nach Südosteuropa fließen - das liege vor allem an den französischen Atomkraftwerken. Deutschlands Stromexport nehme hingegen durch den Kohle- und Atomausstieg von Jahr zu Jahr ab. Österreich liege als Handelsdrehscheibe für Strom genau dazwischen und habe zeitweise selbst einen hohen Importbedarf. "Wir sind heute weit davon entfernt, dass Österreich sich selbst versorgen könnte."

(APA/red)

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