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Bin Laden: Zurück zu seinen Ursprüngen?

Der Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden hat seine Heimat Saudiarabien einst verlassen, um die Saat des islamistischen Terrors in einem weiten Bogen von Bali bis New York zu verstreuen.

Ein neues Tonband, das ihm zugeschrieben wird, erweckt nun den Eindruck, als wolle er zu seinen Wurzeln zurückkehren. Denn auf dem Band, von dessen Echtheit arabische Beobachter überzeugt sind, lässt er sich erstmals in epischer Breite über die angeblichen Missetaten und internen Streitigkeiten des saudiarabischen Königshauses aus.

Bisher hatte er die Familie von Staatsgründer Ibn Saud in seinen Verbalattacken stets etwas geschont, fast so, als habe er immer noch auf eine Umkehr der Herrscher in Riad gehofft. Für diese Interpretation gab es auch gute Gründe. Schließlich hatte auch die Herrscherfamilie um König Fahd bei allen Terrorbekämpfungsmaßnahmen der vergangenen Monate stets versucht, der „vom Wege abgekommenen Gruppe“, wie sie die Terroristen euphemistisch nennt, noch eine goldene Brücke für die Rückkehr in den Schoss der Gesellschaft zu bauen.

Dem Kronprinzen Abdullah Ibn Abdelaziz wirft der Sprecher auf dem Band nun vor, er unterwerfe sich dem Diktat Washingtons aus Angst, seine Brüder könnten ihn sonst mit Hilfe der Amerikaner als Thronfolger des gesundheitlich angeschlagenen Königs ausbooten. Der Sprecher, der ziemlich exakt so klingt wie Bin Laden auf früheren Ton- und Videoaufzeichnungen, behauptet, Abdullah befürchte, dass es ihm ergehen könnte wie einst dem jordanischen Kronprinzen Hassan bin Talal. Dieser war von seinem Bruder, König Hussein, durch dessen Sohn Abdullah ersetzt worden, was laut Bin Laden angeblich das Werk der US-Regierung war.

Für die saudiarabische Herrscherfamilie ist es auf jeden Fall ein schwarzer Donnerstag. Denn das Tonband ihres Staatsfeindes Nummer Eins tauchte am gleichen Tag auf, an dem Hunderte von Regimekritikern sich über das staatliche Demonstrationsverbot hinwegsetzen und einem Protestaufruf von Staatsfeind Nummer Zwei, Saad al-Fikki, folgten. Auch wenn zu den Protestaktionen in Riad, Jeddah, Tabuk und Hail nicht Zehntausende erschienen sind, wie es sich der in London ansässige Führer einer islamistischen Reform-Gruppe gewünscht hatte. Das Königshaus gerät nun trotzdem immer massiver unter Druck.

Und dieser Druck kommt gleich von mehreren Seiten. Auf der einen Seite stehen die Al-Kaida-Terroristen, die mit Bombenterror versuchen, die Ausländer aus dem Land zu vertreiben und das Regime ins Wanken zu bringen. Daneben bedrängen die Anhänger Al-Fikkis das Königshaus. Sie werfen den Prinzen vor, sie seien korrupt und hätten sich von der reinen Lehre des Islam entfernt. Auf der anderen Seite des Spektrums steht eine kleine, zum Teil im Westen ausgebildete Gruppe von liberalen Regimekritikern, die demokratische Reformen fordern.

Aus Sicht vieler arabischer Beobachter steht die saudiarabische Führung jetzt schon mit dem Rücken zur Wand. Verbündet sie sich mit den Liberalen, würde sie damit das religiöse Establishment des konservativen wahabitischen Islam vor den Kopf stoßen, dessen Wohlwollen ihr bisher das politische Überleben gesichert hatte. Macht sie Zugeständnisse an die Terroristen und andere radikalen Islamisten, riskiert sie das Ende ihrer strategischen Partnerschaft mit den USA, der zweiten wichtigen Stütze ihres Regimes.

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