Billigflug zum Mond dank Ionen-Mikromotor

Wie die Eidg. Technische Hochschule Lausanne (EPFL) am Donnerstag mitteilte, wollen die EPFL-Forscher und ihre europäischen Partner mit dem Ionenmotor MicroThrust das Zeitalter der Billigraumfahrt einläuten. Das maximal einige hundert Gramm schwere System ist so ausgelegt, dass es in kleine Satelliten mit weniger als 10×30 cm Seitenlänge eingebaut werden kann.
Diese Nanosatelliten, die sehr viel günstiger als herkömmliche Satelliten sind, sind im Moment noch in ihrer Erdumlaufbahn gefangen, wie Herbert Shea, Koordinator des europäischen Projekts MicroThrust und Leiter des EPFL-Labors für Mikrosysteme für die Raumfahrttechnologie darlegt. “Wir wollen sie nun befreien.”
“Ionenflüssigkeit” statt Brennstoff
Die Satelliten werden mit herkömmlichen Raketen ins Weltall auf Erdumlaufbahn befördert. Dann kommt das neue Antriebssystem zum Einsatz, das die Satelliten beschleunigt. Bei genügend großer Geschwindigkeit können sie die Umlaufbahn wechseln oder weiter entfernte Ziele für Erkundungs- oder Beobachtungsmissionen erreichen, was sonst nur mit großen und kostspieligen Raumfähren möglich ist.
Anstelle eines Brennstoffs nutzt der Motor eine sogenannte “Ionenflüssigkeit”, die chemische Verbindung EMI-BF4, die als Lösungsmittel und Elektrolyt verwendet wird. Sie besteht genau wie Kochsalz aus elektrisch geladenen Molekülen, sogenannten Ionen, nur dass die Substanz bei Raumtemperatur flüssig ist. Mithilfe eines elektrischen Feldes werden die Ionen angezogen und dann abgestoßen, um Schub zu erzeugen.
Im Ionenmotor wird der Treibstoff also nicht verbrannt, sondern ausgestoßen. Der an der EPFL entwickelte Motor stößt den Ionenfluss durch winzige Düsen aus: fast 1.000 pro Quadratzentimeter. Die Polarität des Feldes wird jede Sekunde umgekehrt, damit sowohl die positiv als auch die negativ geladenen Ionen ausgestoßen werden.
Motor auf der Erde nutzlos
Der Motor ist eigentlich extrem schwach und könnte auf der Erde nichts bewegen. Im Weltall ist er aber keinerlei Reibung ausgesetzt. Hier ist Ausdauer wichtiger als Leistung.
“Nach unseren Berechnungen würde ein ein Kilogramm schwerer Nanosatellit mit unserem Ionenmotor die Mondumlaufbahn in rund sechs Monaten erreichen und einen Deziliter Treibstoff verbrauchen”, erklärt Muriel Richard vom Swiss Space Center der EPFL.
Der Weltraumreinigungssatellit CleanSpace One, der Weltraumschrott in der Atmosphäre zum Verglühen bringen soll, dürfte auch mit dem Ionen-Mikromotor ausgerüstet werden. Um eines seiner Ziele, die nicht mehr genutzten Schweizer Cubesats Swisscube und Tlsat-1 , zu erreichen, bräuchte er gemäss den vom Swiss Space Center durchgerechneten Szenarien zwei bis drei Monate und über 1.000 Erdumrundungen. Die Forscher haben nun etwas mehr als ein Jahr Zeit, um das System zu perfektionieren.