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Bilanz zu 100 Tagen Dreierkoalition

Die ungeliebte Dreierkoalition läuft bisher recht glatt.
Die ungeliebte Dreierkoalition läuft bisher recht glatt. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Am Dienstag wird die schwarz-rot-pinke Bundesregierung seit 100 Tagen im Amt sein. Trotz schwieriger Ausgangsbedingungen hat die erste Dreierkoalition wieder Stabilität in die Innenpolitik gebracht und setzte zügig und unerwartet reibungslos die Budgetsanierung um, jedoch bestehen weiterhin genug Konfliktpotenziale.
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Die Koalition zwischen den drei in vielen Bereichen ideologisch entgegengesetzten Partnern war sicherlich keine aus Liebe. Erst im zweiten Versuch und aufgrund fehlender Alternativen konnten sich ÖVP, SPÖ und NEOS bei den Koalitionsverhandlungen einigen. Entsprechend niedrig waren die Erwartungen an die Dreierkoalition, deren Handlungsspielraum ohnehin begrenzt ist: Das angeschlagene Staatsbudget muss saniert werden, ohne die schwache Wirtschaft im dritten Jahr der Rezession zu beeinträchtigen, während die Zeit drängt.

Dreierkoalition kam rasch ins Tun

Deshalb kam die Bundesregierung auch gleich ins Tun. Schon drei Tage nach ihrer Angelobung am 3. März wurden im Nationalrat erste große Brocken zur Budgetkonsolidierung beschlossen - inklusive Erhöhung von Bankenabgabe und Abschaffung der Bildungskarenz - sowie ein Miet-Stopp in Teilbereichen. Mit Letzterem wurde ein Kernanliegen der SPÖ erfüllt, dem folgten wenig später die von der ÖVP forcierte Pause für den Familiennachzug sowie von den NEOS vorgebrachte Maßnahmen im Bildungsbereich wie Orientierungsklassen, Handyverbot und Deutschförderung. Es ist das Rezept "Leben und Leben lassen", nach dem die Dreierkoalition funktioniert. Jede Woche darf eine der Koalitionsparteien das Thema vorgeben, so der Versuch einer neuen Form von "Message Control". Überraschend gut klappt bisher die nach außen demonstrierte Einigkeit der drei Koalitionspartner, die sich nach dem Platzen der ersten Koalitionsgespräche Anfang des Jahres noch öffentlich allerlei Unfreundlichkeiten ausgerichtet hatten. Kein Wort der öffentlichen Kritik drang aus den wochenlangen harten Verhandlungen um die Einsparungen in den Ministerien nach außen.

Finanzminister Marterbauer punktet mit Pragmatismus

Personifiziert wird der stoische Pragmatismus durch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), der in die Rolle des Kanzlers eher zufällig rutschte, nachdem er die ÖVP nach dem Platzen der ersten Dreierkoalitions-Verhandlungen eigentlich als Juniorpartner in eine Koalition mit der FPÖ führen sollte. Mit Pragmatismus und Sachlichkeit überraschte auch der linke Ökonom Markus Marterbauer als Finanzminister - bei seiner Nominierung noch als SPÖ-Kampfansage an die Industrie verstanden. Er schaffte es binnen weniger Wochen sogar an die Spitze der Beliebtheitsskala in der Regierungsriege. Eine allgemeine Aufbruchstimmung auszulösen, gelang der Bundesregierung bisher allerdings nicht. Die Zustimmungswerte für die drei Parteien sind in den Umfragen seit ihrem Antritt relativ stabil mau. In den Strudel negativer Berichterstattung geriet NEOS-Staatssekretär Josef Schellhorn wegen der Wahl eines luxuriöseren Dienstwagens. Das mitunter ungeschickte Auftreten des prominenten Gastwirts am politischen Parkett konnte die Harmonie der Dreierkoalition nach außen bisher aber ebenso wenig stören wie die Anklage gegen ÖVP-Klubchef August Wöginger oder der Alleingang von Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) auf EU-Ebene mit der Forderung nach einer veränderten Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Konfliktpotenzial gibt es für Dreierkoalition künftig genug

Nur vertagt wurden bisher Meinungsverschiedenheiten um die Messenger-Überwachung. Im Regierungsprogramm einigte man sich auf eine "verfassungskonforme" Lösung. Der von der ÖVP vorgelegte Entwurf ist dies aus Sicht der NEOS jedoch nicht. Potenzielle Reibungsflächen für die Zukunft bergen auch andere Vorhaben wie die geplante Reform der Sozialhilfe. Herausfordernd für das Koalitionsgefüge dürften auch die weiteren notwendigen Einsparungen werden - spätestens wenn entschieden wird, welche der im Regierungsprogramm unter Budgetvorbehalt stehenden Herzensanliegen der Parteien realisiert werden können und für was das Geld nicht reicht. Nagelprobe für die Dreierkoalition werden außerdem die von sämtlichen Experten dringlich eingeforderten Strukturreformen. Angesichts der inhaltlich zum Teil weit entfernten Positionen sind die Erwartungen allerdings gering. Insofern könnte die Regierung theoretisch auch hier überraschen.

(APA/Red)

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