Es hat bisher wirklich gut funktioniert, resümiert Peter H. Chase, Direktor des Büros für EU-Angelegenheiten im Department of State, im Gespräch mit der APA in Washington. Insgesamt konstatiert der hochrangige US-Vertreter in den Beziehungen zwischen den USA und der EU heute eine klare Verbesserung, die seit der Wiederwahl von US-Präsident George W. Bush im November 2004 eingetreten sei.
Dabei hatte der österreichische Vorsitz zu Beginn gleich mit Problemen zu kämpfen, die die Bedeutung von engen transatlantischen Kontakten unterstrichen haben: Schon am ersten Tag, am 1. Jänner 2006, habe es direkte Gespräche zwischen Washington und Wien wegen der russisch-ukrainischen Gas-Krise gegeben. Wichtig seien für die USA auch die demokratiepolitischen Botschaften der EU an die weißrussische Regierung von Premier Alexander Lukaschenko, unterstreicht Chase.
Nicht ganz zufrieden zeigt sich der US-Vertreter mit der Reaktion der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Karikaturen-Streit. Es gab ein paar Stolpersteine auf dem Weg, aber schließlich sei man am Ende des Weges doch richtig angekommen, drückt Chase diplomatisch gewisse Kritik an Österreichs Vorsitzführung aus. Im Karikaturen-Streit habe man sowohl die Bedeutung von Toleranz und Respekt vor der Religion unterstreichen und auch die gewalttätigen Vorfälle sehr schnell und klar mit Entschiedenheit verurteilen müssen.
Der Konflikt um die in einer dänischen Zeitung veröffentlichten Mohammed-Karikaturen habe auch die Bedeutung des Aufbaus gegenseitigen Verständnisses zwischen den westlichen Gesellschaften, Europa und den USA, und den moslemischen Ländern unterstrichen. Dabei habe die österreichische Regierung Stärken, betont Chase.
Im wirtschaftlichen Bereich liegt den USA viel an einem Fortschritt bei den WTO-Verhandlungen. Die USA hätten sich hier stark bewegt, nun sei es an der EU, ihre Agrarmärkte wirklich zu öffnen, fordert der US-Vertreter. Die USA stünden hier unter einem gewissen Zeitdruck, weil die Trade Promotion Authority (TPA – Ermächtigung des Präsidenten in der Handelspolitik) nächstes Jahr auslaufe. Daher hoffe man auf eine Einigung spätestens Anfang nächsten Jahres. Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft könnte hier wertvolle Arbeit leisten, um die WTO-Gespräche voranzubringen, hofft Chase.
Zugeknöpft gibt sich der US-Vertreter bezüglich des erwarteten Österreich-Besuchs von US-Präsident George W. Bush beim EU-USA-Gipfel Mitte Juni. Die Termine des Präsidenten würden nur vom Weißen Haus angekündigt, als Vertreter des Außenministeriums wolle er den Terminkalender des Präsidenten daher nicht erläutern. Offiziell haben die USA bisher nicht bekannt gegeben, dass der US-Präsident zum Gipfel nach Österreich kommen werde.
Kritik in Europa
Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft wird von den meisten Brüsseler Korrespondenten als bisher unspektakulär beurteilt, positiv wird jedoch die Vermeidung neuer offener Grabenkämpfe und die Verbesserung der Stimmung in der EU hervorgehoben. Im Folgenden eine Zusammenstellung von Kommentaren, die Korrespondenten internationaler Zeitungen in einer exklusiven Stellungnahme gegenüber der APA zur Halbzeit abgaben.
Die österreichische Präsidentschaft war ziemlich matt bis jetzt, aber Kanzler Schüssel hat es es zumindest geschafft, einen flammenden Streit über Protektionismus auf dem EU-Gipfel zu vermeiden. Er hat eine Art von Übereinkunft über eine EU-Energiepolitik erzielt und scheint den Weg freigemacht zu haben für einen Kompromiss zur Dienstleistungsrichtlinie. Wenn er im Juni zur EU-Verfassung einen Weg noch vorne entwerfen kann, wird er seiner Ansicht nach das meiste erreicht haben, was er sich vorgenommen hat. (George Parker, Financial Times)
Wer nach rein messbaren Erfolgen der österreichischen EU-Präsidentschaft sucht, der wird nicht viel finden. Das aber ist nicht die Schuld Wiens, sondern so ist eben die allgemeine Lage. Die schwierigen Themen der Europäischen Union wie das der Finanzen sind entweder erledigt oder liegen wie die Verfassung vorerst auf Eis. Und Eis, beziehungsweise das Aufbrechen desselben, ist der eigentliche Maßstab für das, was Wolfgang Schüssel und seine Regierung erreichen. In einer Zeit des europapolitisches Frustes, der Desorientierung und der Misslaunigkeit ist es die wichtigste Aufgabe, den Laden erst einmal beisammen zu halten. Und das heißt: die Stimmung muss verbessert werden. Da ist Österreich durchaus erfolgreich. Die vielen Gesprächskreise und Konferenzen mögen zwar noch nicht den Weg zur Lösung der europäischen Probleme aufzeigen, aber sie organisieren die Bereitschaft, ihn zu gehen. Schüssel wird von Anfang an klar gewesen sein, dass seine Präsidentschaft eine ist, die eine gefährliche Übergangszeit bewältigen muss. Bisher hat er das mit viel Geschick geschafft. Neben dem ritualisierten Lob seiner Kolleginnen und Kollegen fällt auf, dass unter den zum Spott neigenden Brüsseler Diplomaten kaum ein böses Wort über Wien zu hören ist. (Martin Winter, Süddeutsche Zeitung)
Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft hat die Erwartungen für dieses Halbjahr, aber auch für das jüngste Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs wohl bewusst tief gehalten. Gemessen daran fiel das Ergebnis des Gipfels besser aus als von vielen befürchtet: Die Mitgliedstaaten haben sich auf einige Schritte hin zu einer gemeinsamen Energiepolitik verständigt, einen lähmenden Grundsatzstreit über die Öffnung ihrer Dienstleistungsmärkte beigelegt und einen offenen Schlagabtausch über Protektionismus vermieden. Ob dabei von einem historischen Schritt oder einem Durchbruch gesprochen werden kann, wie dies Kommissionspräsident Barroso und mehrere Regierungschefs getan haben, ist zu bezweifeln: Mutigere Schritte gerade in den Schlüsselbereichen Energie und Dienstleistungen hätten entscheidend zu Wachstum und Beschäftigung beitragen können. Doch die EU der 25 ist – nach den beiden gescheiterten Referenden zum Verfassungsvertrag und dem erbitterten Finanzstreit des letzten Jahres, aber auch angesichts der durch Erweiterung und Globalisierung ausgelösten Verunsicherung – derzeit schlicht nicht bereit für größere Sprünge.
Vor diesem Hintergrund darf es der Präsidentschaft durchaus als Erfolg angerechnet werden, wenn sie durch diplomatisches Geschick und atmosphärische Verbesserungen den Supertanker EU in ruhigeres Fahrwasser zurückbringt – ohne spektakuläre Durchbrüche, aber mit kleinen Schritten nach vorn und einer Schließung statt einer Öffnung von Gräben. Damit dies gelingt, müssen in diesem Semester noch einige Hürden genommen werden, darunter die Zwischenbilanz der Debatte über die Verfassung und die Zukunft Europas und der Beschluss über das Beitrittsdatum von Bulgarien und Rumänien. All dies wird für die Präsidentschaft zwar heikel, aber in der Außenwirkung nicht besonders dankbar sein. Doch ein Beitrag zur Beruhigung und zur Selbstfindung der EU ist wohl das Beste, was ihr derzeitiger Steuermann leisten kann. (René Höltschi, Neue Zürcher Zeitung)