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Biden-Putin-Gipfel: Experte sieht Chancen für Wien als Gastgeber

Ein Treffen wird jedoch vermutlich erst im Herbst stattfinden.
Ein Treffen wird jedoch vermutlich erst im Herbst stattfinden. ©AP
US-Präsident Biden hat dem russischen Präsidenten Putin ein Gipfel-Treffen angeboten. Wien bot sich als Gastgeber an. Russland-Experte Mangott sieht durchaus Chancen für Wien.
Wien bietet sich als Gastgeber an

Der Russland-Experte Gerhard Mangott sieht im jüngsten russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine "einen Einschüchterungsversuch gegenüber Kiew" und ein Signal an die USA, um Russland in der Aufmerksamkeit "wieder ganz nach oben zu befördern". Der Vorschlag von US-Präsident Joe Biden zu einem Gipfel mit dem russischen Präsidenten sei insofern ein Erfolg für Wladimir Putin, so der Politikwissenschafter. Wien sei sicher ein Kandidat für die Ausrichtung des Gipfels.

Österreichs Verhältnis zu Russland kühler geworden

Er sei sich aber nicht sicher, ob Österreich den Zuschlag bekomme, "denn die österreichische Außenpolitik in der Regierung Kurz II hat die enge Diplomatie mit Russland der Regierung Kurz I doch aufgegeben und das bilaterale Verhältnis ist kühler geworden in den letzten eineinhalb Jahren", konstatiert der Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck. Gegen Helsinki könnte sprechen, dass dort der Gipfel zwischen dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump und Putin stattfand, der für die USA sehr unglücklich verlaufen sei. Möglich wären aber auch Genf oder Dublin als Austragungsort, so Mangott.

Bisher habe die russische Seite einem Treffen aber noch nicht zugesagt. Die Vorbereitungen für das Treffen sei jedenfalls die Aufgabe der Außenminister beider Länder im Mai. "Der Schwerpunkt des Treffens wird sicherlich in der sogenannten Diskussion über strategische Stabilität sein", so der Politikwissenschafter. Immerhin gelte es ja ein Nachfolgeabkommen für den New Start-Vertrag, das letzte atomare Abrüstungsabkommen beider Länder, das Biden Anfang Februar noch bis 2026 verlängert hatte, zu finden. Verhandlungen darüber würden allerdings sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und ein Gipfel-Termin "im Juni würde mich schon sehr überraschen", so Mangott. Wahrscheinlicher sei wohl ein Termin im Herbst.

Mögliche Gründe für russischen Truppenaufmarsch

Bezüglich der Motive des jüngsten russischen Truppenaufmarsches gebe es zwei Lager unter den Analysten, betont Mangott. Die einen würden dahinter die Vorbereitung einer Invasion in der Ukraine sehen, da Putin dadurch seine Legitimität in der russischen Bevölkerung stärken wolle. Zwar liege die Zustimmungsrate für Putin noch bei 65 Prozent, doch seien die Vertrauenswerte für Putin "stark auf 29 Prozent zurückgegangen", so Mangott. Er glaube allerdings nicht daran, da ein direkter Krieg mit der Ukraine in Russland sehr unpopulär wäre. Außerdem würde der Westen mit harten Sanktionen reagieren und das könne sich die russische Wirtschaft einfach nicht leisten.

Er sehe dahinter viel mehr "einen Einschüchterungsversuch", damit die Ukraine das Minsk II-Abkommen wieder ernst nehme, erklärt Mangott. Die Ukraine habe nämlich in den vergangen Monaten indirekt angedeutet, am liebsten davon wegkommen zu wollen, da dieses viele Verpflichtungen beinhalte, die in der Ukraine politisch gar nicht durchsetzbar seien. Gleichzeitig habe der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Maßnahmen gegen Fernsehsender unternommen, die die pro-russische Opposition in der Ukraine unterstützten und sei gegen einen engen Freund Putins, den ukrainischen Oligarchen Viktor Medwedtschuk, vorgegangen.

Außerdem sei der Truppenaufmarsch natürlich ein Signal an die USA, nach deren Ankündigung die Ukraine mit Militärhilfe von 125 Millionen Dollar (105,08 Mio. Euro) unterstützen zu wollen. So habe Biden Sympathien für die Skepsis Kiews am Minsk II-Abkommen geäußert und habe sich offen gezeigt für eine Erweiterung des Normandie-Formats (Russland, Ukraine, Frankreich und Deutschland) um die USA und eventuell Großbritannien. Das lehne aber Russland dezidiert ab.

"Dass Russland seine Position im Donbass aufgeben könnte, halte ich für äußerst unwahrscheinlich, fast schon undenkbar", betont Mangott. Denn dadurch würde Moskau den Hebel verlieren, um die Westintegration der Ukraine und einen möglichen NATO-Beitritt Kiews zu verhindern sowie "die ukrainische Politik im Inneren zu destabilisieren". Daher werde Moskau an einem schwellenden Konflikt festhalten, solange bis die Ukraine zu einer Autonomielösung für den Donbass, einem Amnestiegesetz für die Separatisten, einer Dezentralisierung der Ukraine sowie zu Neutralität, also einem Ende der Bestrebungen der NATO beizutreten, bereit sei. Für Selenskyj, dessen Zustimmungsraten zuletzt sanken, aber "wäre es politischer Selbstmord diese Zugeständnisse zu machen".

Weitere mögliche Themen bei einem Gipfel

Sprechen würden Biden und Putin bei einem Gipfel sicher auch über Libyen, Syrien oder Afghanistan, "alles andere wäre absurd", so Mangott. Zu Libyen gebe es jedoch nicht all zu viel zu besprechen, da sich die USA in den vergangenen Jahren aus der Libyen-Politik ziemlich herausgehalten hätten. Die Syrien-Politik habe Biden noch nicht formuliert. Unklar sei, ob Biden an Trumps Politik festhalte, "nur zu bleiben, um die Wiederauferstehung des Islamischen Staates zu verhindern" oder seine Ziele um weitere Punkte erweitere. In Afghanistan habe Moskau seine Kooperationsbereitschaft mit der Abhaltung eines Treffens der Konfliktparteien, das zwar inhaltlich nichts gebracht habe, bereits gezeigt. Die US-Ankündigung eines Truppenabzugs bis 11. September zeige aber, dass die USA selbst nicht mehr an einen diplomatischen Erfolg zur Lösung glauben würden.

USA begrüßen Angebot Wiens für Biden-Putin-Gipfel

Die USA haben das Angebot Österreichs begrüßt, den Gipfel zwischen Präsident Joe Biden und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin auszurichten. "Österreichs Angebot, als Gastgeber zu fungieren, ist immer willkommen. Österreich ist einer der freundlichsten Gastgeber", teilte die US-Botschaft in Wien der APA am Mittwoch auf Anfrage mit. Biden hatte Putin am Dienstag in einem Telefongespräch einen Gipfel "in einem Drittland" angeboten. Moskau reagierte zurückhaltend.

(APA/Red)

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