AA

Beschluss von Finanzausgleich und umfassender Gesundheitsreform im Ministerrat

Finanzausgleich und Gesundheitsreform wurden beschlossen.
Finanzausgleich und Gesundheitsreform wurden beschlossen. ©APA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER
Am Mittwoch wurde der zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ausgehandelte Finanzausgleich zur Verteilung von Steuermitteln für die kommenden fünf Jahre im Ministerrat beschlossen.
Zwei Drittel der zusätzlichen Mittel an Ziele gebunden
2,4 Mrd. Euro für Länder und Gemeinden

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sprach von einem "Pakt für die Zukunft" mit "großem Reformcharakter", bei dem das Steuergeld umsichtig zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt werde. Mit dem Finanzausgleich verknüpft ist eine umfassende Gesundheitsreform.

Finanzausgleich und Gesundheitsreform im Ministerrat beschlossen

Gemäß dem vereinbarten Finanzausgleich bis 2028 bleibt zwar der Verteilungsschlüssel der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (68 zu 20 zu 12 Prozent) entgegen den Forderungen von Ländern und Gemeinden gleich, jedoch gibt es 2,4 Milliarden Euro zusätzliches Geld jährlich vonseiten des Bundes. 1,1 Mrd. Euro davon fließen über einen neu eingerichteten Zukunftsfonds, deren Mittel für Kinderbetreuung, Wohnen und Klimaschutz eingesetzt werden sollen. Auch Gesundheit und Pflege werden stärker dotiert.

Nach fast einem Jahr Verhandlungen habe sich die gesamtstaatliche Verantwortung bei allen Verhandlungspartnern durchgesetzt, freute sich Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) im Pressefoyer nach dem Ministerrat, der wegen der anschließenden Nationalratssitzung im Parlament stattfand. Mit dem eingerichteten Zukunftsfonds sei ein "Paradigmenwechsel" eingeleitet worden. Erstmals sei es außerdem gelungen, zusätzliches Geld mit Zielen zu verbinden, so Brunner.

Zwei Drittel der vom Bund zusätzlich bereitgestellten Mittel sind mit konkreten Zielen verknüpft, allerdings ohne Sanktionsdrohung bei Nichteinhaltung. Anreiz soll aber sein, dass bei nachweislicher Erreichung der Ziele in einem Bereich die Gelder für andere Bereiche verwendet werden können, wie Brunner erklärte.

Gesundheitsreform soll im Dezember im Nationalrat beschlossen werden

Die mit dem Finanzausgleich verbundene Gesundheitsreform, die Brunner als "wahrscheinlich größte Gesundheitsreform der letzten 20 Jahren" lobte, soll nach den Plänen der Regierung noch im Dezember im Nationalrat beschlossen werden und am 1. Jänner 2024 in Kraft treten. Die Reform sei ein "Kraftakt" gewesen, berichtete Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Zentrales Anliegen sei es gewesen, die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern, davon profitieren würden aber auch Ärzte und andere Gesundheitsberufe.

Die gegenüber der Ärztekammer gemachten Abstriche in einigen Punkten der ursprünglich geplanten Reform verteidigte Rauch als Kompromiss und betonte, dass "jedes Vetorecht der Ärztekammer gefallen" sei. Dieses sei antiquiert gewesen und habe zu Blockaden geführt. Das Motto, das künftig in der Gesundheit gelten solle, sei klar: "Digital vor ambulant vor stationär", so Rauch.

Einschränkungen bei der Gesamtvertragshoheit der Ärzte fielen weg

Rund 300 Millionen Euro pro Jahr fließen zusätzlich in den niedergelassenen Bereich, rund 600 Millionen Euro sind im Finanzausgleich für Spitalsambulanzen sowie für Strukturreformen vorgesehen. Teil der Gesundheitsreform sind Digitalisierung und Neuerungen in den Bereichen Gesundheitsförderung, beim Impfen, der Medikamentenversorgung und nicht zuletzt in der Pflege (mit einer Aufstockung des Pflegefonds von 455 Mio. Euro auf 1,2 Mrd. Euro pro Jahr). Der Bund verpflichtet sich zu den angekündigten zusätzlichen Stellen für Kassenärzte. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) soll einen bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag abschließen.

Die geplanten Einschränkungen bei der Gesamtvertragshoheit der Ärzte (samt Einfrieren der Honorare ab 2025 bei Nichteinigung) fielen letztlich weg. Dass die Sozialversicherung künftig Einzelverträge mit Ärzten abschließen kann, wurde gestrichen. Für die Ärztekammer hatte dies eine Horrorvorstellung dargestellt; sie hatte von einer Aufkündigung der Sozialpartnerschaft gesprochen, wollte eine millionenschwere Protestkampagne in die Wege leiten und hatte mit einem vertragslosen Zustand gedroht. Auch eine Pflicht zur Wirkstoffverschreibung kommt entgegen ursprünglichen Plänen doch nicht.

Reaktionen auf das Verhandlungsergebnis

Während sich die Verhandlungspartner erwartungsgemäß zufrieden über die Einigung beim Finanzausgleich für die kommenden fünf Jahre zeigen, gibt es auch Kritik an der Vereinbarung zwischen Bund, Länder und Gemeinden. Der Gemeindebund begrüßte das Verhandlungsergebnis als "guten Kompromiss", für den Städtebund ist es immerhin "annehmbar". Von anderer Seite kam dagegen am Mittwoch Kritik, am schärfsten von den NEOS, die von einer "vertanen Chance auf Kosten der Jungen" sprachen.

Der Gemeindebund zeigte sich zufrieden über einen "guten Kompromiss im Sinne der Elementarpädagogik". Als Erfolg werteten die beiden Vizepräsidenten des Gemeindebundes Andrea Kaufmann und Erwin Dirnberger in einer gemeinsamen Aussendung, dass 500 Millionen Euro aus dem Zukunftsfonds für die Elementarpädagogik vorgesehenen ist und die Hälfte davon zur Unterstützung bei der Kinderbetreuung über die Länder ausbezahlt werden müssen. "Damit haben die Gemeinden und Städte nun ein Stück mehr Planungssicherheit für Ausbau und Finanzierung der Elementarpädagogik", so Kaufmann und Dirnberger. Ein weiterer Erfolg sei die Verdoppelung der Finanzzuweisungen für Länder und Gemeinden von 300 auf 600 Millionen Euro. Insgesamt habe man "hart verhandelt" und einen "partnerschaftlichen Finanzausgleichspakt erreicht, der die vielen Herausforderungen der Gemeinden in den nächsten Jahren ein Stück weit abfedern kann", so die Vizepräsidenten des Gemeindebunds.

Städtebund reagierte deutlich gedämpfter

Der Städtebund reagierte deutlich gedämpfter und bezeichnete das Ergebnis der Verhandlungen als "annehmbar". Beim Zukunftsfonds habe man "in den letzten Verhandlungsrunden noch einiges erreicht", erklärte Städtebund-Präsident Michael Ludwig (SPÖ). Konkret verwies er darauf, dass in jedem Fall 50 Prozent der Mittel, die für Elementarpädagogik vorgesehen sind, aus dem jeweiligen Landestopf an Städte und Gemeinden des jeweiligen Bundeslandes weiterzugeben seien. Auch in den Bereichen Gesundheit und Pflege sei "einiges gelungen", betonte Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger. Ein wesentlicher Punkt seien außerdem die zusätzlichen 30 Millionen Euro für den öffentlichen Verkehr, als "erster wichtiger Schritt, um die bevorstehende Mobilitätswende finanziell unterstützen zu können".

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) strich besonders die zusätzlichen Gelder für die Kinderbetreuung hervor und sprach von einem "historischen Investment in Österreichs Familien". Angesichts der angekündigten 4,5 Milliarden Euro, die von Bund, Ländern und Gemeinden bis 2030 in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert werden sollen, könne nun der notwendige flächendeckende Ausbau durchgeführt werden. "Der Ball liegt nun bei den Bundesländern, in den kommenden Jahren den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung und somit echte Wahlfreiheit für Familien sicherzustellen", so Raab laut Aussendung.

Kritik an den Ankündigungen zum Ausbau der Kinderbetreuung kam von der Gewerkschaft younion. "Zwar fließt über den sogenannten Zukunftsfonds tatsächlich mehr Geld in die Elementarpädagogik, aber von den verkündeten 4,5 Milliarden ist man dabei weit entfernt. Denn insgesamt ist der Zukunftsfonds mit rund 5,8 Milliarden Euro bis zum Jahr 2028 ausgestattet, 50 Prozent davon sind für die Elementarpädagogik reserviert, sprich 2,9 Milliarden Euro. Es fehlen also noch 1,6 Milliarden Euro auf die versprochenen 4,5 Milliarden", so die Gewerkschaft in einer Aussendung. Skeptisch zeigte sich die Gewerkschaft auch darüber, wie angesichts des fehlenden Personals unter anderem die Öffnungszeiten ausgeweitet und die Gruppengrößen verkleinert werden sollen.

NEOS vermissen "den Mut für Strukturreformen und echte Transparenz"

Die NEOS vermissen bei der Einigung zum Finanzausgleich "den Mut für Strukturreformen und echte Transparenz". "Solange der Finanzausgleich nicht reformiert wird, solange es keinerlei Konsequenzen gibt, wenn die Länder vereinbarte Ziele nicht erreichen, solange ist das weder ein 'Meilenstein' noch ein 'Pakt für die Zukunft'. Es ist eine weitere vertane Chance", kritisierte die NEOS-Finanzsprecherin Karin Doppelbauer in einer Aussendung. Aufgrund der erneut fehlenden Steuerautonomie bekämen die Landeshauptleute weiter Steuermillionen überwiesen, ohne Verantwortung für Einnahmen und Ausgaben übernehmen zu müssen.

Das Urteil der Industriellenvereinigung (IV) fiel dagegen überwiegend positiv aus. Von einer "wichtigen Weichenstellung für Österreich" sprach die IV in einer Aussendung. Begrüßt wurden die zusätzlichen Mittel zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. "Die geforderten Strukturreformen auf Länderebene sowie in Teilen des Sozialbereichs blieben jedoch aus", bemängelte die IV zugleich. Generalsekretär Christoph Neumayer kritisiert zudem das Fehlen von "konkreten Sanktionsmöglichkeit des Bundes, falls die Länder die ausgehandelten Ziele nicht erreichen sollten". Eine stärkere Abgabenautonomie der Länder und Gemeinden sei ebenfalls nach wie vor nicht in Sicht, hieß es.

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) lobte die Einigung als "wichtigen Schritt zur Verbesserung der Kinderbetreuung und Stärkung der frühkindlichen Bildung". "Es freut mich, dass sich unser jahrelanger Einsatz gelohnt und die Regierung unsere konsequenten Forderungen aufgegriffen hat", erklärte die WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz laut Aussendung. Neben einem flächendeckendem Ausbau des Betreuungsangebots und einer Verbesserung der Öffnungszeiten, die mit einem Vollzeitjob vereinbar sein müssen, müsse der Fokus nun ganz gezielt auf auch qualitative Verbesserungen gesetzt werden, so Schultz.

Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) kritisierte, dass der Klimaschutz "nur eine Randnotiz im Zukunftsfonds ist". Der Dachverband fordert eine Verknüpfung der Mittelvergabe mit der Klimaperformance von Ländern und Gemeinden. Nachvollziehbare und vergleichbare Vorgaben für die Energiewende und den Klimaschutz sollen nach zweieinhalb Jahren überprüft werden als Grundlage für die weitere Mittelaufteilung.

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Beschluss von Finanzausgleich und umfassender Gesundheitsreform im Ministerrat
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen