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Beschlossen: Türkische Soldaten für Irak

Ob die Iraker, allen voran die Kurden, nun wollen oder nicht: Diesmal ist die Entsendung türkischer Truppen ins Pulverfass Irak beschlossene Sache.

Anders als vor sieben Monaten, als das türkische Parlament der Regierung überraschend die Gefolgschaft verweigerte, konnte sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bei der Abstimmung am Dienstag auf die eigenen Abgeordneten verlassen. Damit haben Regierung und Militärführung der Türkei nunmehr freie Hand, nach eigenem Ermessen Flagge im Nachbarland zu zeigen – allerdings in Absprache mit Washington.

Die USA, deren Streitkräfte sich im Irak anhaltenden Angriffen ausgesetzt sehen, kommt die türkische Entscheidung gelegen. Für sie stellen 10.000 türkische Soldaten eine willkommene Entlastung dar. Der Türkei geht es vorrangig um die Wahrung eigener Interessen. Und diese zielen in erster Linie auf die Entwicklung bei den Kurden und die Bekämpfung von rund 5.000 kurdischen Rebellen ab, die sich bereits vor Jahren aus der Türkei abgesetzt und im Nordirak Unterschlupf gefunden haben.

Zwar werden die türkischen Soldaten voraussichtlich in einem mehrheitlich von sunnitischen Arabern bewohnten Gebiet nordwestlich von Bagdad zum Einsatz kommen. Doch der Kabinettsbeschluss, mit dem die Regierung um die Zustimmung des Parlaments geworben hat, unterstreicht ausdrücklich die Entschlossenheit der Regierung, alles daranzusetzen, dass der Irak von den Rebellen der Kurdenorganisation PKK/KADEK „gesäubert“ wird und aufhört, ein „Zufluchtsort für Terroristen“ zu sein.

Das plötzliche Tempo, das die islamisch-konservative Regierung unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in der Frage der Truppenentsendung jetzt an den Tag gelegt hat, führen Beobachter nicht zuletzt auf jüngste Zusagen Washingtons zurück, die Vertreibung der PKK-Rebellen aus dem Irak ernsthaft in Angriff nehmen zu wollen. Dazu wurde in der vergangenen Woche in Ankara ein gemeinsamer „Aktionsplan“ vereinbart, über dessen Inhalt sich beide Seiten allerdings eher wortkarg gaben.

Auf einen „Kuhhandel“ mit den Amerikanern, mit dem sich Ankara vor dem Krieg seine Unterstützung des US-Feldzuges gegen Bagdad mit Milliarden-Dollar-Krediten „versilbern“ lassen wollte, hat die türkische Regierung diesmal wohlweislich verzichtet. Das Tauziehen endete bekanntlich im Fiasko, als das türkische Parlament am 1. März der geplanten Stationierung von 62.000 US-Soldaten zum Aufbau einer Nordfront die Zustimmung verweigerte und damit die türkisch- amerikanischen Beziehungen in eine Krise stürzte.

Doch auch das nunmehr ausdrücklich von den „nationalen Interessen“ geleitete Engagement im Irak, trifft in der islamisch geprägten Türkei nicht nur auf Befürworter. Nicht durchsetzen konnte sich Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer, der unermüdlich auf „internationale Legitimität“ für einen Einsatz türkischer Truppen pochte. Über derartige Bedenken setzte sich die Regierung mit dem Argument hinweg, dass ein UN-Beschluss nicht absehbar sei und auch ohne einen solchen mehr als 40 Länder Soldaten in den Irak geschickt hätten. Als direkt betroffener Nachbar könne die Türkei nicht abseits stehen, wo doch selbst entfernte Länder wie Polen und Spanien im Irak präsent seien.

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