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Berlusconis unrühmliches Aus nach 17 Jahren in der Politik

Berlusconi: "Bin zutiefst verbittert"
Berlusconi: "Bin zutiefst verbittert"
Das Ende seiner Premierzeit hätte für Silvio Berlusconi nicht unrühmlicher sein können. Nach 17 Jahren in der Politik musste der Regierungschef und Medienzar unter Schmährufen, Pfiffen, Münzenwürfen und tosendem Geschrei seine Demission einreichen.
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Keinen bittereren Abschied von den Machtzentralen am Tiber hätte sich der Mailänder Medienzar vorstellen können. Über SMS und Internet mobilisiert, versammelten sich tausende Berlusconi-Gegner vor dem Präsidentenpalast auf dem Quirinal und feierten das Ende der Ära Berlusconi.

“Tritt ab, geh nach Hause!”

Jubel brandete auf, als Berlusconi in den Präsidentenpalast einfuhr, um seinen Rücktritt einzureichen. “Tritt ab, geh nach Hause!”, lauteten die Sprechchöre gegen den Premier, der gedemütigt den Quirinal durch einen Seitenausgang verlassen musste, um die Menschenmenge zu umgehen. Rufe wie “Silvio ins Gefängnis!” und “Hau ab, Mafioso” begleiteten den umstrittenen Ministerpräsidenten bei seinem Abschied von der Regierung. Ein kleines Orchester aus Berlusconi-Gegnern veranstaltete ein “Befreiungskonzert”, um das Ende des Mitte-Rechts-Kabinetts zu feiern. Ein Chor ließ das “Hallelujah” aus Händels Oratorium “Der Messias” ertönen. Mit Hupkonzerten und Autokarussellen feierten viele Römer bis tief in die Nacht Berlusconis Rücktritt.

Berlusconi: “Bin zutiefst verbittert”

“Ich bin zutiefst verbittert”, gab der Großunternehmer und Milliardär vor seinen engsten Mitarbeitern zu. Der “Cavaliere” – wie Berlusconi sich als Träger des Verdienstordens “Ritter der Arbeit” nennen lässt – verschanzte sich in seiner römische Residenz und leckt seine Wunden. Mit seinem Rücktritt geht eine politische Epoche zu Ende, die Italien zutiefst geprägt hat. 3.336 Tage regierte der Mailänder, der vier Regierungen geführt hat und zu Italiens langlebigstem Premier aller Zeiten avanciert ist. Als einziger Regierungschef gelang es Berlusconi, zwischen 2001 und 2006 eine komplette Legislaturperiode im Amt zu bleiben, ein Rekord für Italiens chaotisch-turbulente Polit-Szene, in der Regierungen oft nur wenige Monate hielten. Berlusconis letzte Amtszeit, die am Samstag mit seinem Rücktritt ein Ende fand, dauerte dreieinhalb Jahre und rückte auf Platz zwei im Ranking der langlebigsten italienischen Regierungen auf.

“Ich habe Italien eine einmalige Phase politischer Stabilität beschert”, pflegt Berlusconi zu sagen. Sein Traum, länger als der “Vater” der italienischen Republik, Alcide De Gasperi, im Sattel zu bleiben, ging jedoch nicht in Erfüllung: Dieser hatte Italien über siebeneinhalb Jahre – zwischen Dezember 1945 und Juli 1953 – regiert. Er hatte in dieser Zeitspanne jedoch acht verschiedene Regierungen angeführt, eine davon hatte nur 13 Tage lang überlebt.

Was wird Berlusconi jetzt tun?

Was wird Berlusconi jetzt tun? Politischen Beobachtern zufolge wird sich der hyperaktive 75-Jährige keine goldene Pension in einer seiner Traumvillen in der Karibik oder an der Costa Smeralda auf Sardinien gönnen, sondern weiterhin die Drähte der italienischen Politik ziehen. Seine Mitte-rechts-Partei “Volk der Freiheit” (PdL – Popolo della liberta) bleibt die stärkste Einzelgruppierung im römischen Parlament und daher ein Eckpfeiler für die Zukunft der Übergangsregierung um den ehemaligen EU-Kommissar Mario Monti, die sich in Rom anbahnt. “Wir können Monti jederzeit stürzen”, meinte der Premier. Damit macht Berlusconi klar, dass er sich nicht aus dem politischen Geschäft zurückziehen will. Indiskretionen zufolge denkt der Medienzar sogar an eine politische Revanche. Dass er an den nächsten Parlamentswahlen als Spitzenkandidat seiner Mitte-rechts-Partei teilnehmen könnte, wird trotz Berlusconis Dementis in Rom nicht ganz ausgeschlossen.

Nach dem Ende seiner Amtszeit wird Berlusconi genug Luft haben, um sich um seine Justizverfahren zu kümmern. Drei Prozesse laufen noch gegen den Medienzaren, ein weiteres Verfahren steht vor der Tür. Am 23. November wird in Mailand der sogenannte Ruby-Prozess fortgesetzt, bei dem Berlusconi im Zusammenhang mit der Sexaffäre um die damals minderjährige Marokkanerin Karima el-Marough alias “Ruby Herzensbrecherin” vor Gericht steht. Berlusconi wird von jetzt an seine politischen Verpflichtungen nicht mehr als Ausrede nutzen können, um nicht vor Gericht zu erscheinen. Seine Verteidiger sind zurzeit voll beschäftigt. Am 28. November wird der Prozess wegen Bestechung seines ehemaligen Anwalts David Mills fortgesetzt, der Anfang nächsten Jahres zu Ende gehen sollte. Gegen Berlusconi läuft zudem auch noch ein drittes Gerichtsverfahren in einer Steueraffäre um seinen Medienkonzern Mediaset.

Aber auch das Ruder seines Medienimperiums, das er wegen des politischen Engagements seinen erwachsenen Kindern überlassen hatte, will Berlusconi wieder übernehmen. Obwohl er als Premier stets Optimismus über eine baldige Überwindung der Schuldenmisere und Stagnation in seinem Land versprühte, bekommt auch Berlusconi in seiner Rolle als TV-Unternehmer die Folgen der Krise hart zu spüren. Rückgang bei den Werbeeinnahmen und den Einschaltsquoten belasten seine Fernsehgruppe Mediaset. Der Mediaset-Konzern erlebte seit Mai an der Mailänder Börse einen Absturz von über 40 Prozent. Der Unternehmensgewinn, der Ende 2010 noch 431 Millionen Euro betragen hatte, dürfte nach Schätzungen von Analysten wegen des schweren Rückgangs bei den Werbeeinnahmen auf 326 Millionen Euro fallen.

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