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Berlusconi hat die RAI fest im Griff

Als Eigentümer der drei größten Privat-TV-Sender hat Ministerpräsident Berlusconi schon seit Jahren die Hälfte des italienischen Fernsehens unter Kontrolle.

Mittlerweile hat er aber auch den traditionsreichen Staatssender RAI mit seinen drei Kanälen derart fest im Griff, dass dort praktisch nichts mehr gegen seinen Willen läuft. „Der Regierungschef übt ständigen Druck auf die RAI aus. „Er greift selbst zum Telefonhörer, um Programme und Inhalte zu beeinflussen”, empörte sich jetzt die RAI-Präsidentin Lucia Annunziata.

Die streitbare Journalistin befindet sich seit knapp einem Jahr an der RAI-Spitze, doch ihr sind praktisch die Hände gebunden. Im Aufsichtsrat, dem sie formell vorsteht, befindet sie sich auf verlorenem Posten. Denn dem Gremium gehören außer ihr vier Männer an, die sie in wichtigen Fragen regelmäßig überstimmen. Sie stehen Berlusconis Mitte-Rechts-Regierung nahe – das gleiche gilt für RAI-Generaldirektor Flavio Cattaneo, mit dem Annunziata so gut wie keine Gesprächsbasis mehr hat. „Cattaneo und ich befinden sich auf entgegen gesetzten Ufern”, sagt sie offen.

So kann sich die 53-Jährige trotz ihrer Präsidentenrolle letztlich nur laut über Fehlentwicklungen beklagen. „Ich kann nur Foul pfeifen”, verglich sie sich bei einem Treffen mit ausländischen Journalisten in Rom mit einem Fußball-Schiedsrichter – doch dieser Vergleich hinkt, denn schließlich müssen ihm die Akteure auf dem Spielfeld gehorchen.

Immer öfter musste Annunziata zuletzt in wichtigen Fragen vergebens pfeifen. Sie scheiterte etwa mit dem Vorschlag, den prominenten Journalisten Ferruccio de Bortoli mit der Moderation einer täglichen politischen Hintergrundsendung zur Hauptsendezeit zu betrauen. Dies sei mit dem Hinweis blockiert worden, Berlusconi würde dies nie akzeptieren, sagt sie. De Bortoli musste im Vorjahr als Chefredakteur des prestigereichen „Corriere della Sera” gehen – Medienberichten zufolge auf Druck Berlusconis, dem der unabhängige Journalist ein Dorn im Auge war.

Die Hintergrundsendung war vor zwei Jahren dem populären Journalisten Enzo Biagi trotz des großen Erfolges entzogen worden. Der 83-jährige Biagi ist einer der größten Kritiker Berlusconis. Der Ministerpräsident ging deshalb so weit, öffentlich Biagis Entlassung zu fordern. Die Sendung selbst wurde einfach eingestellt.

Mit ihren jüngsten Äußerung über die Interventionen Berlusconis hat Annunziata weiteres Öl ins Feuer gegossen. „Das Vertrauensverhältnis ist schwer beschädigt und kaum zu reparieren”, sagten am Dienstag ihre Kollegen im Verwaltungsrat, der vom Parlament bestimmt wird. Allerdings konnte aus Annunziatas Sicht schon bisher von einem Vertrauensverhältnis in dem Gremium keine Rede sein. „Jede Sitzung beginnt mit der Kritik, dass ich der RAI Schaden zufüge”, beklagt sie sich.

Annunziata befindet sich in einer ausweglosen Situation, doch für sie ist das kein Grund, das Handtuch zu werfen. Denn sie ist in Wirklichkeit nur eine „Garantie-Präsidentin”, wie es die italienischen Medien ausdrücken. Sie steht der Opposition nahe und gilt nur als symbolisches Gegengewicht zu dem längst übermächtig gewordenen Berlusconi. „Meine Aufgabe ist es, Berlusconis Interessenkonflikt Grenzen zu setzen”, sagt sie. „Ich werde nicht von selbst gehen”.

Ganz allein steht Annunziata aber im Koloss RAI, der fast 40.000 Menschen Arbeit bietet, allerdings nicht. Der Unmut der Journalisten, nimmt zu. So hat bei der wichtigsten RAI-Tagesschau TG1 die stellvertretenden Chefredakteurin Daniela Tagliafico ihren Rücktritt erklärt. Als Grund gab sie die Berlusconi-freundliche Berichterstattung ihres Kanals an, der von einem ehemaligen Abgeordneten von Berlusconis Forza Italia geleitet wird. 30 Journalisten unterstützten schriftlich ihren Schritt, darunter auch mehrere prominente Nachrichtensprecher. „TG1 befindet sich in einem Zustand permanenter Spannung”, beschreibt Annunziata die Lage, an der sie nichts ändern kann.

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