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Berlusconi empört Gewerkschafter

Das Vorhaben der rechtsgerichteten Regierung von Silvio Berlusconi dürfte einen der größten Arbeitnehmer-Proteste der vergangenen Jahre in Rom auslösen.

Fast eine Million Demonstranten erwartet Sergio Cofferati, Präsident der größten italienischen Gewerkschaft CGIL, an diesem Samstag. Was ihn und seine Mitstreiter empört ist die Absicht, Artikel 18 des „Statuts der Arbeitnehmer“ zu ändern und damit den Kündigungsschutz aufzuweichen.

Schon ist auch die Rede vom Generalstreik, der notfalls Ende April ganz Italien für einen Tag lahm legen soll. „Damit die Kinder weiterhin die gleichen Rechte haben, wie ihre Väter“, so meint Cofferati. Der umstrittene Artikel 18 stammt aus den 70er Jahren und gibt den Arbeitnehmern weit reichende Rechte. Danach dürfen Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten ihre Mitarbeiter nur dann kündigen, wenn ein „gerechter Grund“ vorliegt. Wenn Arbeitnehmern kein schwerwiegendes Vergehen nachgewiesen werden kann, müssen die Arbeitsgerichte eine Wiedereinstellung anordnen.

Berlusconi will jetzt in einer Art „vorläufigem Experiment“ erreichen, dass entlassene Mitarbeiter nicht wieder eingestellt sondern ausgezahlt werden. Die Regelung soll zunächst nur drei Kategorien betreffen: Schwarzarbeiter; Unternehmen, die durch Neueinstellungen die für den Kündigungsschutz relevante Schwelle von 15 Mitarbeitern überschreiten; Arbeitnehmer, die statt eines befristeten einen unbeschränkten Arbeitsvertrag erhalten.

Letzter Punkt soll jedoch nur für die südlichen Regionen gelten, wo die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist. Die Gewerkschaften sehen darin eine inakzeptable Diskriminierung des Südens. „Mit dieser Maßnahme wollen wir gegen Ausbeutung und Schwarzarbeit vorgehen und zu Neueinstellungen ermutigen“, kontert Kommunikationsminister Maurizio Gasparri.

Italien ist gespalten. Viele Arbeitnehmer befürchten, nach der Gesetzesänderung von einem Tag auf den anderen entlassen zu werden. Aber es gibt auch Befürworter: „Ich unterstütze Berlusconis Regierung zwar nicht, aber die Änderung des Artikels 18 könnte tatsächlich die Schwarzarbeit verringern. Und dadurch würde auch das wirtschaftliche Gefälle zwischen Nord- und Süditalien kleiner“, sagt ein 35-jähriger Römer.

Im Süden arbeiten nach letzten Erhebungen über 50 Prozent der Beschäftigten „nicht regulär“. Die Arbeitgeber haben dort Angst, Mitarbeiter fest einzustellen: „Die nisten sich dann im Betrieb wie ein Krebs ein und können auch bei Faulheit nicht gekündigt werden“, meint ein römischer Student. „Die Gewerkschaften haben rückständige Ansichten, sie sind die Feinde des Südens und der Arbeitslosen“, sagt Gasparri.

Berlusconi nutzt unterdessen jede Gelegenheit, um vor laufenden Kameras seine Pläne zu verteidigen: „Die Unternehmen sollen mehr Freiheit bekommen, um zu wachsen und Arbeitsplätze zu schaffen. Vor allem Jugendliche werden in Zukunft leichter Arbeit finden.“ Das sehen die italienischen Gewerkschaftsbosse anders. Cofferati kündigte an: „Wir werden solange streiken, bis die Regierung nachgibt.“ Unterstützung hat der 54-Jährige reichlich. Am Samstag haben sich auch illustre Gäste wie der Schauspieler Roberto Benigni, Literatur-Nobelpreisträger Dario Fo und die Schriftstellerin Dacia Maraini zum Massenprotest angesagt.

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