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Berlin 36

Vor den Olympischen Spielen 1936 in Berlin drohten die Amerikaner mit Boykott, sollten die Nazis keine Juden in der deutschen Mannschaft starten lassen. Gretel Bergmann, die damals beste deutsche Hochspringerin, wurde daraufhin ins Trainingslager eingeladen - um der Jüdin keine Chance zu lassen, nominierten die Nazis mit "Dora" Ratjen eine Rivalin, die in Wirklichkeit ein Mann war.
Der ganze Fall erinnert ein wenig an den intersexuellen österreichischen Skifahrer Erik Schinegger, der unter dem Namen Erika 1966 Weltmeisterin in der Abfahrt wurde. Während sich angeblich schon seit zwei Jahren eine Hollywood-Verfilmung dieser Geschichte anbahnt, hat sich des politisch schwerwiegenderen deutschen Falls der Regisseur Kaspar Heidelbach angenommen. Karoline Herfurth schlüpfte mit brodelnder Energie in die Rolle von Gretel Bergmann, Sebastian Urzendowsky gibt schüchtern und zurückgezogen die Konkurrentin, die im Film Marie Ketteler heißt.

Nur widerwillig ließ sich Gretel einst darauf ein, aus London nach Berlin zurückzukehren, um dort an den Vorbereitungen für die Olympischen Spiele teilzunehmen. Ihre jüdische Herkunft machte es ihr im Trainingslager nicht leicht, ihre Kolleginnen mieden sie weitgehend. Im biografischen Drama wird ihr zudem eine leise Romanze mit Marie angedichtet. “Ich wusste es eigentlich von Anfang an, dass sie mich nicht starten lassen”, erzählte Bergmann im dpa-Interview. “Aber ich wollte es ihnen zeigen.” Nächtelang habe sie der Alptraum gequält, was sie tun sollte, wenn sie gewinnt. Auf das Podium und Hitlergruß? Unmöglich.

Dass sie wohl eine Medaille gewonnen hätte, davon ist auszugehen – und davon ist auch Bergmann überzeugt. Stattdessen wurde die Ungarin Ibolya Csak mit 1,60 Meter Olympiasiegerin – eine Höhe, die Bergmann kurz vor Olympia auch überquert hatte. Dennoch erreichte sie kurz vor den Spielen ein perfider Brief vom Deutschen Reichsbund für Leibesübungen: “Sie werden auf Grund der in letzter Zeit gezeigten Leistungen wohl selbst nicht mit einer Aufstellung gerechnet haben.” Mitgeschickt wurde eine Stehplatzkarte für das Olympiastadion, die sie jedoch nur im Film wahrnimmt.

Berlin36” hätte ein großes Drama mit vielen leisen Tönen für das Kino werden können – doch leider ist der gesamte Film nur auf Drama ausgerichtet. Schwülstiges Klavier und Streicher betonieren den Hintergrund, betont dramatische Nazi-Szenen machen kein Hehl daraus, dass auch jedes Kind registrieren soll, wer denn nun die Guten und die Bösen in dieser Geschichte sind. Dazu kommt eine so einfallslose Kamera, dass man sich im Kino wünscht, man säße doch nur vor dem Fernseher. Oder dass sich jemand wie Quentin Tarantino des Stoffes angenommen hätte.

Stattdessen endet der Film mit kurzen Interview-Passagen mit der echten Gretel Bergmann, die 1937 in die USA emigriert war und heute in New York lebt. Dass ihre Kontrahentin ein Mann war, hat sie in der Realität erst viel später herausgefunden – und sie empfindet heute Mitleid mit Heinz “Dora” Ratjen. Auf die versuchte Kontaktaufnahme hat Heinz, der bei seiner Geburt von der Hebamme als Tochter eingetragen wurde und fortan Frauenkleider trug, nie geantwortet. Entdeckt wurde der Betrug, als er 1938 mit 1,70 einen Fabel-Weltrekord aufstellte. Ein Jahr später wurde er von einem Gericht zum Mann erklärt, im April 2008 ist Ratjen in Bremen gestorben.

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