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Bergsteiger-Legende wird 60

Das Ausnahmetalent, der Pionier, der Ehrgeizige, der Widersprüchliche, der Alleingänger - all das ist Reinhold Messner. Der Südtiroler wird am 17. September 60 Jahre alt.

„Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.“ Fast scheint es so, als ob der Südtiroler Extrembergsteiger Reinhold Messner diesen Spruch von Johann Wolfgang von Goethe auf seine Fahnen geheftet hätte, die er in den vergangenen vier Jahrzehnten auf den höchsten Gipfeln der Welt anbrachte. Das Ausnahmetalent, der Pionier, der Ehrgeizige, der Widersprüchliche, der Alleingänger wird am 17. September 60 Jahre alt.
Zu internationaler Berühmtheit gelangte der 1954 geborene Villnösser Bauernbub im Mai 1970, als er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Günther den Himalaya-Riesen Nanga Parbat (8.125 m) nicht nur erstmals über die gefürchtete Rupal-Wand bezwang, sondern auch eine Überschreitung schaffte, indem er auf der Diamir-Flanke abstieg. Bei dieser riskanten Unternehmung kam Günther unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen ums Leben. Noch mehr als drei Jahrzehnte nach der verhängnisvollen Expedition wirft der Nanga Parbat lange Schatten auf Messners Lebensweg. Ehemalige Bergkameraden, Max von Kienlin und Hans Saler, zweifeln in ihren Büchern Reinholds Version vom Tod Günters an. Unter anderem ist von krankhaftem Ehrgeiz und Fahrlässigkeit die Rede. Messner publizierte Gegendarstellungen und klagte – nach aktuellem Stand konnte er sich juristisch weitgehend durchsetzen. Doch abgeschlossen ist der Fall für keine der beiden Seiten.
Messners Bergsteigerkarriere lässt sich aber natürlich nicht auf die fatale Expedition von 1970 reduzieren. Er setzte als Extremalpinist Maßstäbe: Als erster Mensch stand er auf dem Gipfel aller 14 Achttausender; auf einigen sogar mehrmals. Bei keiner einzigen Expedition verwendete Messner Flaschen-Sauerstoff. Eine bemerkenswerte Leistung, die noch 1978, als Messner gemeinsam mit dem Tiroler Peter Habeler den Mount Everest (8.850 m) bezwang, für unmöglich gehalten wurde. Heute gehört es zur Ehre eines jeden „echten“ Bergsteigers, auf künstlichen Sauerstoff zu verzichten. „Achttausender-Gipfel mit künstlichem Sauerstoff zu besteigen ist so, wie den Giro d’Italia mit einem Moped statt einem Rennrad zu fahren: Uninteressant und unfair“, charakterisiert der Südtiroler Alpinist Hans Kammerlander, ein ehemaliger Seilgefährte Messners, das aktuelle bergsteigerische Ethos.
Nachdem Messner Mitte der achtziger Jahre alle Achttausender erklommen hatte, begab er sich in die Ebene und suchte dort das ultimative Abenteuer. Fortan baute er seinen Ruhm mit Durchquerungen von Eis- und Sandwüsten aus – und wurde nebenher publizistisch immer aktiver. In den neunziger Jahren, als Messner wegen einer Fußverletzung weitere extremalpinistische Ambitionen begraben musste, widmete sich der Südtiroler, dem seine Heimat stets zu eng war, verstärkt der Politik. Höhepunkt seiner Politlaufbahn war die Europawahl 1999, wo er als Parteiloser auf der Liste der Grünen einen Sitz im EU-Parlament errang. Der Ruhelose kandidierte 2004 allerdings kein zweites Mal. Stattdessen widmet er sich nun intensiv dem Bergmuseum in Sigmundskron bei Bozen. Politisch aktiv will er aber – zumindest auf Landesebene – dennoch bleiben.
Nicht alle sind aber vom Grün-Politiker Messner begeistert, vor allem nicht die Grünen selbst. Dort sorgte Messner erst im Juli für Empörung, als bekannt wurde, dass er den italienischen Verkehrsminister Pietro Lunardi bei einer Machbarkeitsstudie für einen ökologisch umstrittenen Autobahnbau berät. Doch Messner geht auch in anderen Fragen der Umweltpolitik eigene Wege. So fordert er einen radikalen Wandel der landwirtschaftlichen Strukturen im Alpenraum: Weg von der Monokultur, hin zu ökologischer Qualitätsproduktion, gepaart mit sanftem Tourismus und gefördert von der EU. Messner will außerdem die Dolomiten unter UNESCO-Schutz stellen lassen: Seine eigene Heimat soll für Messner ein Markenzeichen dafür werden, dass der Mensch verantwortungsvoll handeln kann: Ökologisch nachhaltig, auf kommende Generationen bedacht.

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