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Benedikt XVI. trifft die "älteren Brüder"

Bei den Antrittszeremonien des neuen Papstes fehlten Vertreter des Judentums - nicht aus Affront, sondern wegen des Pessach-Fests. Die hochrangige Delegation des Judentums kommt am Donnerstag in den Vatikan.

So wird die Begegnung Benedikts XVI. am Donnerstag mit einer hochrangigen Delegation des „Jüdischen Komitees für interreligiöse Konsultationen“ (IJCIC) mit besonderer Spannung erwartet.

Die Aussöhnung mit den “älteren Brüdern“ gehörte zu den Schwerpunkten und zur Erfolgsbilanz des Pontifikats von Johannes Paul II. Und der neue Papst hat mehr als einmal die Kontinuität zum Erbe seines Vorgängers versichert. Bereits bei seiner Antrittsmesse hatte sich Benedikt XVI. ausdrücklich an die – aus religiösen Gründen abwesenden – Juden in aller Welt gewandt: „Voller Zuneigung richte ich meinen Gruß auch … an Euch, Brüder aus dem jüdischen Volk, mit dem wir durch ein großes gemeinsames geistliches Erbe verbunden sind, das in den unwiderruflichen Verheißungen Gottes seine Wurzeln schlägt“.

Vor allem die Formulierung von den „unwiderruflichen Verheißungen“ hat wesentlich dazu beigetragen, dass Benedikt XVI. in gläubigen jüdischen Kreisen ein hoher Vertrauensvorschuss zuteil wird. Die Begegnung am Donnerstag im Apostolischen Palast signalisiert auch angesichts früherer Äußerungen von Kardinal Joseph Ratzinger Kontinuität.

Unter den vielen Glückwünschen zur Papstwahl waren auch Schreiben vieler jüdischer Organisationen, die um einen baldigen Gesprächstermin baten. Statt vieler Einzel-Audienzen empfängt der Papst nun das IJCIC, mit dem der Vatikan seit 1971 ständige Kontakte unterhält.

Dem Jüdischen Komitee gehören unter anderen der Jüdische Weltkongress, die „Anti-Defamation-League“ (ADL), „Bnei Brit“ oder der Amerikanische Jüdische Kongress an. 25 Personen werden unter Leitung von Rabbiner Israel Singer in den Vatikan kommen. Unter ihnen sind auch Rabbiner David Rosen, ein hoher Vertreter des Jerusalemer Oberrabbinats sowie Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni.

Die Delegation reist aus dem spanischen Cordoba an, wo Dienstag und Mittwoch eine OSZE-Konferenz über Antisemitismus und Rassismus berät. Am Vorabend der Papstaudienz trifft sich die Delegation in Rom mit hohen Vatikan-Vertretern zu einem Abendessen.

Johannes Paul II. hat dem christlich-jüdischen Kontakt auf Grund seiner persönlichen Vita – als Pole mit jüdischen Schulfreunden – eine besondere Note gegeben. Aber seine Aussagen waren immer mit seinem theologischen Berater Ratzinger abgestimmt. Und dieser hatte sich auch persönlich wiederholt zu diesem Thema geäußert. Abraham sei der Vater des jüdischen Volkes und Vater des christlichen Glaubens, die Bibel der Juden sei – zusammen mit dem Neuen Testament – auch Bibel der Christen. Daher komme dem christlich-jüdisch Dialog eine Sonderrolle zu, schrieb Ratzinger Ende 2000 in der Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“.

Der Glaube des Alten Testaments sei für Christen „keine andere Religion, sondern Fundament unseres Glaubens“, so Ratzinger weiter. Das Verhältnis zwischen Judentum und Kirche sei von Anfang an oft konfliktgeladen gewesen: Die Kirche wurde „von ihrer Mutter als entartete Tochter betrachtet“, und habe diese umgekehrt für „blind“ gehalten.

Wie sein Vorgänger beklagte Ratzinger allen Anti-Judaismus und alle Gewalt. Zwar lag der Shoah eine antichristliche Ideologie zu Grunde, die den christlichen Glauben in seiner abrahamitischen Wurzel treffen wollte. Aber man könne nicht leugnen, dass ein „gewisser ungenügender Widerstand von Seiten der Christen gegen diese Grausamkeit“ sich aus einem „antijüdischen Erbe bei nicht wenigen Christen“ erklärt.

Heute gebe es eine „neue Vision“ der christlich-jüdischen Beziehungen, so Ratzinger damals: „Einen ehrlichen Willen, jede Art von Antijudaismus zu überwinden, und einen konstruktiven, auf Gegenseitigkeit und Versöhnung angelegten Dialog zu beginnen“. Vor diesem Hintergrund lässt die Audienz am Donnerstag eine Fortsetzung der bisherigen Arbeit erwarten.

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