Die am Freitag explodierte Erdgas- Fernleitung war bei Bauarbeiten vor einigen Wochen beschädigt worden, wie belgische Medien am Montag berichteten. Auch das Verhalten des Gasnetzbetreibers Fluxys stand in der Kritik. Drei Tage nach der Katastrophe gab es verwirrende Angaben über die Zahl der Toten, die nach unbestätigten Angaben auf 17 stieg. Viele Verletzte liegen noch immer in kritischem Zustand in verschiedenen Kliniken.
Das Unglück löste eine Debatte über die Sicherheit der Gasleitungen aus, die quer durch Europa verlaufen. Die Feuerwehr im belgischen Lommel kritisierte, sie warte schon seit Monaten auf eine mehrfach angemahnte Risikoanalyse des Netzbetreibers Fluxys zu einer neuen Gasleitung in ihrem Gebiet. Das Unternehmen will nun Notfallpläne für die Feuerwehren aller Provinzen erstellen.
Fluxys, eine vom belgischen Staat beeinflusste Aktiengesellschaft, verlor am Montagvormittag 5,7 Prozent ihres Börsenwertes. Der Gasnetzbetreiber hatte die Leck geschlagene Fernleitung erst nach der Explosion gesperrt. Zwischen der Meldung des Lecks und dem tödlichen Unglück im Industriegebiet von Ghislenghien verging etwa eine halbe Stunde. Eine schnellere Schließung der Absperrventile hätte die Katastrophe auch nicht verhindert, erklärte der Betrieb.
Das Interesse der Ermittler richtete sich unterdessen auf ein elf Meter langes Stück Pipeline, das trotz seines Gewichts von rund einer Tonne von der Wucht der Explosion 150 Meter weit geschleudert wurde. Spuren an dem Rohr deuten nach Medienangaben auf eine Beschädigung, die von Baggerarbeiten vor einigen Wochen herrühren könne. Das Gas könnte sich danach im Boden gesammelt haben. Die Explosion dürfte geschehen sein, als Fluxys den Druck nach Arbeiten an einem anderen Ort erhöhte, berichtete der flämische Fernsehsender VRT.
Zwei Wochen vor der Katastrophe war auf dem Gelände eines völlig zerstörten Fabrikneubaus ein Parkplatz angelegt worden. Auch Fluxys sprach von möglichen Verstößen gegen die Bauvorschriften. Belgische Bauunternehmer-Verbände forderten am Montag ein klares und umfassendes Kataster aller im Boden verlegten Leitungen. Der belgische Gesundheitsminister Rudy Demotte sagte, es müssten Karten aller Risikozonen im Land erstellt werden.
Unklarheit herrschte am Montag weiter über die Zahl der Toten. Ein betroffenes Unternehmen meldete den Tod eines weiteren Mitarbeiters, die Staatsanwaltschaft in Tournai sprach von 17 Todesopfern. Das Gesundheitsministerium hielt indes an der Zahl von 16 Getöteten fest. Unter den Trümmern werden noch immer vier Menschen vermisst. Von mehr als 120 Verletzten liegen viele mit schweren Verbrennungen noch in den Krankenhäusern und ringen mit dem Tode.
Der Mittwoch wurde zu einem Tag nationaler Trauer erklärt. Dann sollen in Ath fünf Feuerwehrmänner und ein Polizist beigesetzt werden, die bei dem Unglück ums Leben kamen. Eine Staatstrauer hat Belgien seit dem Tod von König Baudouin 1993 nicht mehr erlebt.