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Belgien: EU-Gipfel

Ganz im Zeichen der Terrorismusbekämpfung im Gefolge der Anschläge von Madrid steht der EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag.

Beschließen wollen die EU-Staats- und Regierungschefs ein umfangreiches Anti-Terrorpaket, das unter anderem eine Solidaritätsklausel mit militärischem Beistand und die Ernennung eines EU-Koordinators zur Terrorbekämpfung vorsieht. Mit Spannung wird weiters die Diskussion um die EU-Verfassung erwartet, nachdem sich in Folge des Regierungswechsels in Spanien eine Lösung abzeichnet. Irlands Regierungschef Bertie Ahern hielt zuletzt eine Einigung bis Juni für möglich.

Der Kampf gegen den Terrorismus ist der erste Tagesordnungspunkt des Gipfels am Donnerstagabend. Die EU-Chefs dürften das von den Innen- und Außenministern vorbereitete Anti-Terrorpaket weitgehend unverändert absegnen. Der geplante EU-Anti-Terrorkoordinator soll den außenpolitischen Beauftragten Javier Solana unterstützen. Ein weiteres Ziel ist der intensivere Austausch von Geheimdienstdaten. Dies stößt vor allem auf den Widerstand Großbritanniens, das über einen Großteil nachrichtendienstlicher Erkenntnisse im Nahen Osten verfügt. Außenminister Jack Straw betonte am Montag, London bevorzuge weiterhin einen bilateralen Informationsaustausch.

Beschleunigt angehen will die EU auch Maßnahmen, die schon nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA beschlossen wurden. Dazu zählt etwa der Europäische Haftbefehl, den fünf Länder, darunter Österreich, noch nicht umgesetzt haben. Die EU könne nicht auf jeden Anschlag mit neuen Institutionen reagieren, wird in Diplomatenkreisen betont. Gelder von Terrororganisationen sollen künftig leichter eingefroren werden können. Geschlossenheit im Kampf gegen den Terrorismus wollen die EU-Chefs vor allem durch den feierlichen Beschluss einer Solidaritätsklausel demonstrieren, die aus der EU-Verfassung vorgezogen wird. Sie verpflichtet die EU-Staaten politisch und moralisch, alle Mittel, darunter auch militärische Ressourcen, gegen die terrorische Bedrohung oder nach einem Terroranschlag bereitzustellen.

Über die Verfassung selbst wollen die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag beim Abendessen reden. Spanien wird dabei noch vom amtierenden Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar vertreten, weil der sozialistische Wahlsieger und designierte Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero sein Amt erst im April übernimmt. Gleichwohl deutet sich eine Annäherung an, nachdem Zapatero bereits ein Einlenken Madrids angekündigt hat. Der irische EU-Vorsitz will offenbar beim Gipfel die Wiederaufnahme der Verfassungsverhandlungen vorschlagen. Die polnische Regierung, die sich gemeinsam mit Spanien bisher gegen einen Verlust von Einfluss bei Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat wehrte, hat ebenfalls erklärt, einen Verfassungsbeschluss so schnell wie möglich anzustreben.

Am Freitag soll der EU-Gipfel über Wirtschaftsmaßnahmen reden, die die Union näher an das Ziel („Lissabon-Strategie”) bringen sollen, bis 2010 der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Bisher ist die EU weit hinter ihren Vorgaben zurückgeblieben. In den vorbereiteten Schlussfolgerungen bekräftigt die EU ihr Festhalten am Klimaschutzabkommen von Kyoto und ruft gleichzeitig Russland auf, das Abkommen schnell zu ratifizieren. Innerhalb der EU-Staaten ist das Klimaschutzabkommen umstritten, Italien etwa will weitere Schritte der EU von einer Ratifizierung Russlands und der USA abhängig machen.

Bei dem Gipfel steht auch eine Reihe von Personalentscheidungen an. So wollen sich die EU-Finanzminister über einen Nachfolger des EZB-Direktoriumsmitglieds Eugenio Domingo Solans und des zurückgetretenen IWF-Generaldirektors Horst Köhler, der nächster deutscher Bundespräsident werden dürfte, verständigen. Informelle Gespräche dürften bereits über die Besetzung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten stattfinden, der formal erst beim Gipfel im Juni bestellt wird. In Brüssel gilt derzeit der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker als Favorit, auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) wurde immer wieder als möglicher Kandidat gehandelt.

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