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Belgien: EU-Gipfel in Brüssel

Der EU-Gipfel von Brüssel Ende nächster Woche soll einen historischen Punkt in den europäischen Einigungsbestrebungen setzen.

In nur nur zwei Tagen wollen die 25 Staats- und Regierungschefs der EU ihre erste Verfassung und ihrer wichtigsten Behörde ein neues Gesicht geben. Die im Dezember gescheiterten Schlussverhandlungen über die Verfassung sollen nun abgeschlossen werden. Verknüpft mit dem Feilschen um Kompromisse ist die Ernennung eines neuen EU-Kommissionspräsidenten für die nächsten fünf Jahre. Einen sicheren Tipp gibt es nicht, die Liste möglicher Kandidaten wurde zuletzt mit fast jedem Tag länger.

In den Verfassungsverhandlungen sind die großen institutionellen Schlüsselfragen offen. Ungelöst ist der Streit um die Stimmengewichtung im EU-Ministerrat, der im Vorjahr im Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich einerseits und Spanien und Polen andererseits zum Scheitern geführt hatte. Entscheiden müssen die Regierungschefs auch über die Größe und Zusammensetzung der künftigen EU-Kommission. Nach Einschätzung von EU-Diplomaten kleinerer Länder zeichnet sich ab, dass die unter anderem von Österreich vertretene Forderung „Ein Kommissar pro Land“ nur mit zeitlicher Begrenzung durchsetzbar ist. Weiters müssen die EU-Chefs klären, in welchen Bereichen sie vom nationalen Vetorecht abrücken und künftig Mehrheitsentscheidungen zulassen. Fix ist, dass sich die EU erstmals eine militärische Beistandsgarantie gibt, die allerdings auf den „spezifischen Charakter“ der Neutralen Rücksicht nimmt.

In Brüssel geht man davon aus, dass die Verfassung und die Nachfolge des scheidende Kommissionspräsidenten Romano Prodi in einem größeren Paket entschieden wird. So will etwa der britische Premier Tony Blair Großbritannien vehement seine „roten Linien“ – sprich Einstimmigkeit in der Steuer-, Außen-, Sozial- und Justizpolitik – verteidigen. Gleichzeitig kamen aus London Signale, Blair könnte dafür einem integrationsfreundlichen EU-Politiker wie dem zuletzt häufig als Favoriten genannten belgischen Premier Guy Verhofstadt zustimmen. Im Gespräch für den Posten sind neben Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) auch dessen Amtskollegen aus Luxemburg und Dänemark, Jean-Claude Juncker und Anders Fogh Rasmussen, oder die Kommissare Chris Patten (Großbritannien) und Antonio Vitorino (Portugal), um nur einige in Spekulationen genannte Bewerber zu nennen.

Die Prodi-Nachfolge ist nicht die einzige Personalentscheidung, die beim Gipfel ansteht. Eine Entscheidung soll auch über die Verlängerung des Mandats des jetzigen EU-Außenpolitikbeauftragten Javier Solana fallen. Dieser hat gute Chancen, erster EU-Außenminister zu werden. Der Posten soll neu mit der Verfassung geschaffen werden, könnte aber schon vor deren Inkrafttreten besetzt werden. Solana ist außerdem als Kommissionschef im Gespräch. Weiters steht eine Entscheidung über den stellvertretenden Generalsekretär des Europäischen Rates an, ein einflussreicher Posten, den derzeit der Franzose Pierre de Boissieu innehat. Deutschland und Frankreich könnten beim Gipfel ihren Streit um die Nachfolge von Europol-Chef Jürgen Storbeck beilegen. Berlin will den Vertrag Storbecks erneut verlängern, Paris hält an einem eigenen Kandidaten, Jacques Franquet, fest.

Nach den vorbereiteten Schlussfolgerungen soll der EU-Gipfel auch die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien mit Anfang nächsten Jahres beschließen. Die Staats- und Regierungschefs werden sich zudem einer Überprüfung der von bereits beschlossenen Anti-Terror-Maßnahmen stellen müssen. Die EU-Kommission und die irische Ratspräsidentschaft werden dazu Berichte vorlegen, in denen Mängel bei der Umsetzung der Beschlüsse in den meisten Mitgliedstaaten festgestellt werden.

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