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Bekennerbrief gibt Rätsel auf

Noch ist unklar, ob der Bekennerbrief einer Untergruppe der El Kaida zu den Anschlägen in Madrid authentisch ist. Aufschlussreich ist er laut „Spiegel Online“ trotzdem.

Er enthält die Ankündigung eines Anschlags in den USA, ein Bekenntnis zum Anschlag von Istanbul – und möglicherweise sogar verschlüsselte Anweisungen an Gesinnungsgenossen.

Eines, schreibt „Spiegel Online“, ist schon jetzt klar: Die Verfasser des angeblichen Bekennerschreibens nutzten die ungeteilte internationale Aufmerksamkeit nach den Explosionen im Zentrum der spanischen Hauptstadt, um ihre Botschaft zu verbreiten. „Zu den Völkern der Alliierten Amerikas sagen wir, sie sollen Druck auf ihre Regierungen ausüben, damit sie sich sofort aus ihrem Bündnis mit Amerika zurückziehen“, heißt es zum Beispiel in dem per E-Mail versandten Schreiben, das gestern Abend in der Redaktion der arabischen Zeitung „Al-Quds al-arabi“ einlief.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die „Abu Hafs-Brigaden“ sich zu etwas bekennen, ohne dass sie tatsächlich etwas damit zu tun gehabt hätten. So zum Beispiel, als sie sich im vergangenen Sommer bezichtigten, die Stromausfälle in den USA verursacht zu haben. Angesichts der Unklarheit über die Täter von Madrid konnten sie sich zumindest sicher sein, dass ihr Pamphlet umgehend publiziert werden würde.

Wohl in Erwartung dessen ist der Text weit mehr als ein reines Bekennerschreiben, wie eine „Spiegel-Online“-Analyse des arabischen Schriftstücks ergibt. Es enthält zwar eine Selbstbezichtigung, zugleich aber auch umfangreiche Warnungen und Drohungen vor künftigen Anschlägen, Bezüge auf im Laufe der vergangenen Jahre verhaftete Islamisten – und einige unklare Stellen, die möglicherweise verschlüsselte Hinweise an verbündete Gruppen darstellen.

„Wir sagen euch, die Truppe des rauchenden Todes wird bald bei euch ankommen. An diesem Tag werden eure Toten in den Tausenden liegen“, schreiben die Verfasser der E-Mail an die Adresse der Ungläubigen. „Wir setzen die Muslime der Welt davon in Kenntnis, dass ein Schlag namens ’Winde des schwarzen Todes’, der gegen Amerika erwartet wird, jetzt in der letzten Phase, zu 90 Prozent vorbereitet, und – so Gott will! – schon nahe ist. Er wird zu einer Zeit, die den Mudschahedin passend erscheint, stattfinden. Es wird dies eine Freude sein für diejenigen, die an den Sieg Gottes glauben.“

Solche Passagen, die einen großen Teil des Briefes ausmachen, ähneln im Stil durchaus vergleichbaren Terrordrohungen, die regelmäßig auf diversen Internetseiten auftauchen, die der El Kaida nahe stehen. Auch die sonstige Rhetorik, mit deren Hilfe Terroranschläge begründet werden, orientiert sich am bekannten Jargon: „Wir ( … ) bedauern den Schlag nicht, bei dem so genannte Zivilisten getötet wurden. Ist es denn bei ihnen rechtens, dass unsere Kinder, Frauen und weisen Männer in Afghanistan, im Irak, Palästina und Kaschmir getötet werden? Schande auf uns, wenn wir sie nicht ebenso töten. (…) Nehmt eure Hände von uns, lasst unsere Gefangenen frei, verlasst unser Land! Dann lassen wir euch auch in Ruhe“, tönen die Autoren.

Außergewöhnlich an dem angeblichen Bekennerschreiben sind unterdessen bestimmte Teile, deren Sinn sich gar nicht oder kaum erschließen lässt. Zum Beispiel dieser, der nach einer Absprache für eine terroristische Aktion klingt: „Zu der Truppe von Bilal Ibn Ribah sagen wir: Die Führung hat das Angebot angenommen. Wenn ihr Delegierter kommt, beginnt die Operation.“ Bilal Ibn Ribah war der erste Gebetrufer des Islam; noch zu Lebzeiten des Propheten Mohammed rief er die Gläubigen zum Gebet. Dass islamistische Kommandos sich nach herausragenden Persönlichkeiten der islamischen Geschichte benennen, ist nicht ungewöhnlich. Doch eine Gruppe dieses Namens ist bisher nicht in Erscheinung getreten. Denkbar ist freilich auch, dass es sich um einen gezielten Versuch handelt, Angst zu schüren.

Unklar erscheint auch eine Passage, die folgendermaßen beginnt: „Wir sagen zu der Truppe Abu Ali al-Harithis, dass die Führung entschieden hat, dass der Jemen der dritte Sumpf sein wird.“ Abu Ali al-Harithi ist der Name eines mutmaßlichen El Kaida-Kaders, der im November 2002 von einer US-amerikanischen Rakete im Jemen getötet wurde. Offenbar, so der vermittelte Eindruck, hat sich auch nach ihm ein islamistisches Kommando benannt. Der „Sumpf“, das wird in den folgenden Sätzen deutlich, soll Amerika bereitet werden. Gemeint ist damit ein Schlachtfeld, in dem die USA untergehen werden. Die Passage endet mit dem kryptischen Satz: „Aus diesem Grund ist es notwendig, alle Zellen zu mobilisieren und mit der Arbeit bei 4515 (…) zu beginnen.“ Nicht auszuschließen, dass es sich bei der Zahl um einen Code handelt. Darauf folgt der Bezug auf einen vom Jemen an Ägypten ausgelieferten Islamisten, und ein weiterer Name, mit dem der jemenitische Ministerpräsident gemeint sein könnte.

In einem dritten Teil des Briefes bezichtigt sich die – im Übrigen nach dem Kampfnamen des mittlerweile getöteten mutmaßlichen Militärchefs der El Kaida, Mohammed Atef, benannte – „Abu Hafs-Brigade“ zumindest der Kenntnis der Attentäter, die am Dienstag einen Anschlag auf eine Freimaurerloge in Istanbul verübten: „In einer anderen Operation verübte eine Truppe der Al-Quds-Armee auf das jüdische freimaurerische Versammlungshaus in Istanbul einen Anschlag. Es ist der Hauptsitz der Freimaurer. In dieser Operation wurden drei der großen Freimaurer getötet. Wäre uns nicht ein Kunstfehler passiert, hätten wir alle Freimaurer getötet. Aber aufgrund einer göttlichen Fügung waren es nur drei.“

„Was die Anschläge von Madrid angeht, fehlen bisher noch stichfeste Hinweise auf den Täterkreis. Der Bekennerbrief der Abu-Hafs-Brigaden gibt für Mutmaßungen nicht viel her. Es scheint, als handle es sich aber zumindest um ein authentisch islamistisches Schreiben. Die Bildsprache und der Duktus passen genau ins Muster. Über eine Täterschaft freilich sagt das nicht viel aus“, meinen Yassin Musharbash und Judith Reker in „Spiegel Online“.

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